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Der Einsatz

Der Einsatz

Titel: Der Einsatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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mit dem Kopf zum Bett, wo eine Leselampe brannte und etliche Papiere ausgebreitet lagen.
    Dann blieb sie reglos stehen, schien sich nicht sicher zu sein, wohin sie sich setzen sollten und weshalb Harry überhaupt gekommen war. Die Frage stand ihr ins Gesicht geschrieben: War er noch so ein einsamer, ausgehungerter Mann, der nach zwei Armen zum Ausruhen und einer Möse zum Vögeln suchte?
    Sie musterte ihn eindringlich. Ihre Wangen glänzten selbst bei dieser schwachen Beleuchtung. Dann machte sie einen Schritt in Richtung Bett, als wäre das der richtige Ort für ihr Gespräch, doch Harry strebte im selben Moment zum Sofa, das im Halbdunkel am anderen Ende des Zimmers stand. Dorthin setzte er sich, und Jackie folgte seinem Beispiel.
    Das Zimmer spiegelte die Widersprüchlichkeiten dieser Frau, ihre Sanftheit und ihre Härte. Am Bettpfosten lehnte eine Maschinenpistole. Jackie hatte die Waffe am frühen Abend auseinandergenommen und gereinigt, und Lauf und Kolben glänzten noch von dem Öl, mit dem sie sie eingerieben hatte. In einer Ecke des Zimmers lag ihre Trainingskleidung, die sie, nach einer Runde Gewichtestemmen mit den Jungs im Fitnessraum, achtlos weggeworfen hatte, und für den nächsten Tag hatte sie bereits die Kleidung einer muslimischen Pilgerin bereitgelegt. Auf dem Nachttisch lag das Buch, das sie anscheinend gerade las:
«Zähne zeigen»
von Zadie Smith.
    Harry wusste nicht recht, wie er das Gespräch anfangen sollte, doch Jackie machte es ihm leicht.
    «Sie machen sich Sorgen wegen mir und Adrian, stimmt’s? Das sehe ich an Ihrem Blick.»
    «Stimmt», sagte Harry. «Genau so ist es.»
    «Sie haben Angst, es könnte den Einsatz gefährden, wenn der Boss die Teamleiterin flachlegt.»
    «Ich hätte das vielleicht ein bisschen anders formuliert – aber ja, genau davor habe ich Angst.»
    «Da kann ich Sie beruhigen. Ich habe die Sache im Griff. Ich bin weder ein liebeskranker Teenager noch eine sexhungrige Nymphomanin. Wir Frauen sind da heutzutage anders. Wir machen uns nicht mehr so viele Gedanken um Sex.»
    Harry musterte sie. Sie hatte sich vorgebeugt und war bis an den Rand des Sofas vorgerutscht, und die Leidenschaftlichkeit in ihrer Stimme war beeindruckend, wenn auch nicht gerade ermutigend. Harry schüttelte verwirrt den Kopf.
    «Ich begreife das nicht», sagte er. «Ich meine, ich verstehe natürlich, warum Adrian mit Ihnen schläft, aber aus Ihrer Sicht ist mir das längst nicht so klar.»
    «Sex ist Macht, Mr.   Fellows. Und ich habe gerne Macht.»
    «Sagen Sie Harry zu mir.»
    «Gut, Harry. Dann passen Sie mal auf. Ich werde Ihnen jetzt ein Geheimnis verraten. Aber das bleibt unter uns, ja?» Jackie zwinkerte ihm zu.
    «Und was ist das für ein Geheimnis?» Harry spürte, dass sie ihn in ihren Bann zu ziehen versuchte, konnte aber trotzdem nicht widerstehen.
    «Mich macht es an, Männer zu beherrschen. Männer lieben es, die Kontrolle zu haben. Und soll ich Ihnen was sagen, Harry? Frauen lieben das auch.»
    «Aber die Welt ist doch kein großes Schlafzimmer, Jackie. Morgen tragen Sie die Verantwortung für das Leben anderer Menschen. Da muss ich sicher sein, dass ich Ihnen vertrauen kann.»
    Jackie schwieg einen Augenblick und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen wie eine Katze. Es war gar kein bewusster Versuch, sexy zu wirken, sie konnte nur einfach nicht anders.
    «Hatten Sie jemals eine Affäre, Harry?», fragte sie.
    «Das geht Sie überhaupt nichts an.»
    «Natürlich geht mich das was an. Sie fragen mich schließlich auch nach meinem Sexleben. Da darf ich Sie ja wohl noch nach Ihrem fragen.»
    Da hatte sie allerdings recht.
    «Ja», sagte Harry. «Ich hatte eine Affäre. Mehrere sogar. Ich bin nicht stolz darauf, aber es ist eine Tatsache.»
    «Und was hat Ihnen daran gefallen? An den Affären, meine ich.»
    «Der Sex.»
    «Eben. Aber waren Sie dadurch ein schlechterer Agent? Hat es Ihre Leistung irgendwie geschmälert?»
    «Nein, das habe ich niemals zugelassen. Und ich habe die Affäre auch jedes Mal beendet, wenn es schwierig zu werden drohte.»
    «Ganz genau. Eine letzte Frage noch. Glauben Sie etwa, ich bin dümmer als Sie? Glauben Sie im Ernst, ich würde mich so sehr in die Affäre mit einem Mann hineinsteigern, der sich in der Midlife-Crisis befindet und Pillen schluckt, um einen hochzukriegen, dass ich deswegen meinen Auftrag gefährde? Glauben Sie, ich würde zulassen, dass ich nichtmehr fähig bin, meine Brüder Hakim und Marwan zu schützen oder den Jungen aus dem

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