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Der Einsatz

Der Einsatz

Titel: Der Einsatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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wieder in den Iran zurückzubringen, aber das lässt sich machen. Noch schwieriger wird es, ihm Zugang zu dem Labor in Maschhad zu verschaffen, aber auch das ist nicht unmöglich. Doch irgendwann, mein Freund, wird Alarm geschlagen. Ein junger Atomphysiker, der spurlos verschwindet. Spione aus dem Ausland, die in geheimer Mission unterwegs sind. Es tut mir sehr leid, das sagen zu müssen, aber irgendwann hat das Spiel auch ein Ende.»
    «Noch weiß niemand, dass Doktor Molavi verschwunden ist. Sie glauben, dass er krank zu Hause liegt, und noch ist Wochenende. Wenn sie ernsthaft anfangen, nach ihm zu suchen, wird es längst zu spät sein. Dann hat er seinen kleinen Sabotageakt in Maschhad bereits erledigt und ist längst wieder außer Landes.»
    «Aber die Untersuchungsbeamten im Iran haben ihn doch bereits im Visier. Das haben Sie mir selbst erzählt. Er wurde zu mehreren Verhören zitiert. Die Leute wissen über ihn Bescheid.»
    Harry musterte Atwan nachdenklich. Er war sich sicher, kein Wort von den Verhören erzählt zu haben, die Molavi während ihres Gesprächs am Vormittag geschildert hatte. Atwan sah das Misstrauen in seinem Blick und bemühte sich sogleich, sein Gegenüber zu beschwichtigen.
    «Nun, das tut ja auch nichts zur Sache. Mir geht es vorallem um eines: Wäre es nicht sehr viel klüger, davon auszugehen, dass der junge Mann geschnappt wird? Falls das dann tatsächlich geschehen sollte, gefährdet es zumindest nicht den ganzen Einsatz.»
    «Nein!», sagte Harry. In seiner Stimme lag eine Leidenschaftlichkeit, die ihn selbst überraschte. «Es ist mir zutiefst zuwider, den Jungen überhaupt zurückzuschicken, und wir werden alles dafür tun, ihn lebend wieder rauszubringen. Auf keinen Fall werden wir ihn zum kalkulierten Opfer machen. Er hat uns   … genauer gesagt, mir   … sein Leben anvertraut, und ich werde sein Vertrauen nicht enttäuschen. Für mich ist das   … eine sehr persönliche Verpflichtung. Und ich werde diesbezüglich keine Kompromisse machen.»
    «Verstehe», sagte Atwan. Eine Zeitlang herrschte Schweigen. Es war bereits spät, und sie mussten Jackie und Jeremy und den Rest des Teams davon in Kenntnis setzen, was am nächsten Tag auf sie zukommen würde.
    Als Harry aufstand, um sich zu verabschieden, ergriff Atwan seine Hand und zog ihn in eine Art Umarmung. Das war gar nicht einfach, weil Harry ein großer, kräftiger Mann war und Atwan klein und zierlich. Trotzdem umarmte er Harry und hielt ihn einen endlosen Moment lang an sich gedrückt, bevor er sich wieder von ihm löste.
    «Es ist mir eine große Ehre, mit Ihnen zu arbeiten, Mr.   Pappas», sagte der Libanese und verwendete dabei zum ersten Mal Harrys richtigen Namen. «Und ich möchte Ihnen mein tief empfundenes Beileid aussprechen für den Verlust Ihres Sohnes im Irak.»
     
    Als Harry spätabends in das sichere Haus zurückkehrte, bat er Jeremy, Jackie auf ihrem Zimmer anzurufen. Er wollte mit ihr reden, dabei aber nicht das Risiko eingehen, dass Adrian gerade bei ihr war und seine kriegerische Göttin auf dem alten turkmenischen Teppich vögelte. Doch Jeremy berichtete wenig später, dass Jackie noch wach und allein sei.
    Harry klopfte an Jackies Tür. Er war ihretwegen beunruhigt. Sie leitete das Team, würde in Kürze für drei weitere Menschenleben verantwortlich sein. Von ihrer Urteilskraft und ihrer Verlässlichkeit hing alles ab. Würde sie diesem Druck standhalten? Das konnte Harry nicht sagen. Doch die Art und Weise, wie sie sich mit Adrian vergnügte, gab ihm Anlass zur Besorgnis. Er verstand diese Frau nicht. Er klopfte ein zweites Mal.
    Jackie öffnete ihm mit demütig gesenktem Kopf. Ein schwarzes Tuch verdeckte nicht bloß ihr Haar, sondern auch große Teile ihres Gesichts. Den Blick hielt sie sittsam abgewandt.
    Dann riss sie das Tuch unvermittelt beiseite und ließ es zu Boden fallen. «Ha!», rief sie. «Da habe ich Sie aber reingelegt, was?»
    «Nicht im Geringsten», antwortete Harry. «Kann ich kurz hereinkommen? Ich muss mit Ihnen reden.»
    «Sicher, ich war noch nicht im Bett.» Sie hielt die Zimmertür auf. «Immer rein mit Ihnen.»
    Ohne den Schleier sah man, dass sie einen schmalen schwarzen Rollkragenpullover trug und eine enge Jeans, die ihren Po zur Geltung brachte. An den Füßen hatte sie flauschige rosa Hausschuhe.
    «Sind Sie aufgeregt wegen morgen?», fragte Harry.
    «Ach was. Für so was gibt’s schließlich Tabletten. Ich hatte mich gerade in den Einsatzplan vertieft.» Sie deutete

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