Der Einsatz
Fahrer noch mehr Geld aus seinem Handkoffer, und kurz darauf durften sie die Grenze passieren.
Kurz vor zehn Uhr morgens rollten sie auf iranisches Gebiet. Die Schnellstraße nach Süden führte vorbei an staubigen Siedlungen und dann zwischen stoppeligen Feldern hindurch, und dennoch sah man auf den ersten Blick, dass der Iran ein funktionierender Staat war, der Straßenschilder und Polizei besaß und im iranischen Teil von Sarakhs sogar einen kleinen Flughafen, von dem zweimal wöchentlich ein Flug nach Teheran ging. Langsam schlängelte sich die Straße aus der Wüstenebene ins Hochland um Gonbari und Mozdurem hinauf. Kleinere Autos brausten an dem schnaufenden Mitsubishivorbei. Selbst hier im Ostteil des Landes hatten es die Iraner eilig, an ihr Ziel zu gelangen. Von der hinteren Rückbank hörte man ein leises Summen. Jackie sang vor sich hin und stellte sich vor, dass auch Karim, der unter dem Sitz zusammengekauert lag, sie hören konnte.
Die Stadt Maschhad war ein Ballungsgebiet inmitten der östlichen Wüste und nicht nur sehr viel größer, als ihre Besucher das erwarteten, sondern auch um einiges moderner: Ganze Scharen von Umgehungsstraßen umschlossen die Altstadt und das Heiligtum des Imams Reza. Das Wachstum dieser Stadt gehörte zu den eigenartigeren Auswüchsen der jüngeren iranischen Geschichte: Im Iran-Irak-Krieg hatten sich die Bevölkerungszahlen dort fast verdoppelt, weil die Stadt am weitesten vom Kriegsgebiet entfernt lag, und seither war sie nie mehr auf ihre ursprüngliche Größe geschrumpft. In den Straßen war es laut und stickig, ein einziges Durcheinander aus Menschen und Autoverkehr, und dieses Chaos bot der kleinen Gruppe in dem klapprigen Mitsubishi-Transporter zusätzlichen Schutz.
Sie nahmen die Umgehungsstraße im Osten der Stadt und fuhren weiter nach Norden, bis sie am Ghaem-Platz an eine Kleeblattkreuzung kamen. Dort kannte der Fahrer einen sicheren Rastplatz, eine von turkmenischen Einwanderern betriebene Tankstelle, wo er regelmäßig tankte und alle notwendigen Reparaturen durchführen ließ. Er fuhr den Transporter in die Werkstatt und schloss die Tür, sodass niemandhineinschauen konnte. Dann stiegen Hakim und seine angebliche Frau aus, der Turkmene klappte die Rückbank hoch und half dem schmerzgeplagten Karim aus seiner eisernen Zelle. Die Beine des jungen Mannes waren so steif, dass er anfangs kaum aufrecht stehen konnte.
Dann ließ der Fahrer sie allein, damit sie ihre letzten Vorbereitungen treffen konnten. Es war inzwischen kurz nach eins. In einer Stunde sollte Karim sich mit seinem Freund Reza treffen. Und zwei Stunden später, um vier, würde das Team ihn wieder abholen.
Jackie steckte Karim den Taser zu, der die Chips im Inneren des Rechners im Neutronenlabor Ardabil sabotieren sollte. Sie hatte das Gerät unter dem wallenden schwarzen Stoff ihres Tschadors verborgen. Dann ging sie ein letztes Mal den Ablaufplan mit Karim durch: Er sollte das Labor mit dem Gerät in der Jackentasche betreten, sich neben seinen Freund stellen, wenn der sich in das Computersystem einloggte, und dann, wenn irgend möglich, eine Stunde lang bei ihm bleiben. Seine Jacke sollte er dabei so ablegen, dass das Gerät in direkten Kontakt mit dem Laborrechner kam.
Marwan würde unterdessen draußen in der Nähe des Forschungszentrums bleiben und den Taser über ein batteriebetriebenes Aggregat mit Strom versorgen, das sich derzeit in seiner schmutzigen Schultertasche befand. Hakim und Jackie würden sich als Ehepaar in eines der Pilgerhotels einmieten, das im Notfall als Anlaufstelle dienen sollte. Jackie gab Karim die Adresse: das Hotel Tus an der Shirazi-Straße. Sobald sie das Zimmer bezogen hatten, würden sie mit dem Fahrer und seinem Mitsubishi zum Forschungszentrum zurückkehren und ganz in der Nähe auf einem Parkplatz ander südlichen Umgehungsstraße warten, bis Karim um vier wieder nach draußen kam.
«Nehmen Sie Ihren Freund Reza mit hinaus», sagte Jackie. «Laden Sie ihn zum Abendessen ein. Dann wird er keinen Verdacht schöpfen.»
«Ja, natürlich», antwortete Karim. Für ihn klang das wie ein Befehl. «Aber was machen Sie so lange?»
Bisher hatte Jackie ein zuversichtliches Lächeln zur Schau getragen, doch nun stahl sich für einen Augenblick ein eigenartiger Ausdruck auf ihr Gesicht.
«Wir machen uns unsichtbar. Nach dem Abendessen treffen wir uns wieder und fahren zurück.»
Der junge Iraner nickte. Er kannte sich nicht aus in dieser Welt der
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