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Der Einsatz

Der Einsatz

Titel: Der Einsatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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Geheimnisse. Er hatte seinen Part darin übernommen, weil Harry, der Amerikaner, die sakrosankten Erinnerungen an seinen Vater in ihm wachgerufen hatte. Karim hatte nur einen kleinen Kieselstein ins Wasser geworfen, doch die Welle, die daraus entstanden war, war nun viel größer als er selbst. Er streifte seinen Overall ab und gab ihn Hakim. Der schwarze Anzug war nur leicht verknittert, ansonsten aber unversehrt. Karim kämmte sich vor einem Spiegel, den Jackie ihm hinhielt. Wenn er bloß die goldenen Manschettenknöpfe seines Vaters angelegt hätte! Die hätten ihm jetzt Glück bringen können.
     
    Nun war Karim Molavi wieder Iraner, genau wie all die anderen auf den überfüllten Straßen. Er rief seinen Vetter an, um ihm zu sagen, dass er in der Stadt sei, erreichte aber nur den Anrufbeantworter und hinterließ eine Nachricht. Dann riefer Reza an, um ihm zu sagen, dass er unterwegs sei. Der junge Wissenschaftler schien sich zu freuen. Karim schlug vor, später noch zusammen essen zu gehen und über alte Zeiten zu reden. Reza erzählte, er habe nun endlich eine Freundin gefunden, vielleicht könnten sie sich nach dem Abendessen ja auch noch mit ihr treffen. Und auch Karim freute sich. Vielleicht war alles ja doch viel leichter, als er sich das vorstellte. Einfach hinein und wieder hinaus und dann fort in ein neues Leben.

33   Maschhad/Iran
    Die Reise mit dem Schnellzug von Teheran nach Maschhad dauerte zwölf Stunden, und der einsame Reisende hatte sich einen Schlafplatz in einem Viererabteil der ersten Klasse reserviert. Während der Zug in der Dunkelheit über die Gebirgskette rund um den Nordosten des Irans brauste, schlief der Mann angezogen auf seiner Pritsche. Neben ihm lag aufgeschlagen die arabische Übersetzung von Thomas L.   Friedmans Buch
«Die Welt ist flach»
, mit einigen handschriftlichen Notizen am Rand. Der Schlaf des Reisenden war unruhig. Von Zeit zu Zeit wachte er auf, zündete seine Opiumpfeife an und driftete nach ein paar Zügen erneut in jene nebelhaften Regionen des Bewusstseins ab, die man nicht direkt Schlaf nennen konnte. Draußen vor der Abteiltür hatte er einen Wächter postiert, der den Schaffnern große Angst einjagte. Noch viel mehr aber fürchteten sie sich vor dem Mann im Innern des Abteils.
    Al-Majnoun, der Wahnsinnige, hatte eine Verabredung inMaschhad. Er hatte den Fehler begangen, die Gefahr immer größer werden, die Bedrohung einfach ungehindert weiterwachsen zu lassen, bis sie so gefährlich geworden war, dass sie das ganze Vorhaben zu zerstören drohte. Das war die Schwierigkeit, wenn man unauffällig und allein operierte, wie er es zu tun gewohnt war: Manchmal entwickelten sich die Dinge so schnell, dass man nicht mehr nachkam. Man verstrickte sich so sehr in den Geheimnissen, bis man sich irgendwann nicht mehr rühren konnte. Doch in diesem Fall durfte das nicht passieren. Wenn er hier versagte, würde ihn nicht einmal seine eigene unheilvolle Zerstörungskraft mehr retten können.
    Der Zug erreichte Maschhad im Morgengrauen. Al-Majnoun stieg aus, eine Aktentasche von Tumi unter dem Arm, die zwei Pistolen unterschiedlichen Fabrikats und Kalibers enthielt. Er trug einen schwarzen Anzug und einen Pullover aus schwarzer Merinowolle. Ein Stoffhut und eine Sonnenbrille verbargen große Teile seines Gesichts, und doch waren die roten Narben im hellen Morgenlicht nur allzu gut zu sehen. Das Gesicht wirkte wie schlecht verspachtelt: Sein Fleisch schien teilweise nicht mehr so recht am Gerüst des Schädels zu haften. Es hätte mehr Haut dafür gebraucht, vielleicht aber auch weniger. Vor kurzem erst hatte er sich einer weiteren Operation unterzogen, obwohl kaum noch Gewebe übrig war, mit dem man arbeiten konnte.
    Der Leibwächter folgte ihm und blieb zunächst in dichtem Abstand, doch Al-Majnoun scheuchte ihn weg. Er ging gebeugt und zog ein Bein so unmerklich nach, dass man es kaum als Hinken bezeichnen konnte. Dabei wirkte er höchst beweglich und eilte mit raschen, kleinen Schritten dahin, denOberkörper leicht vorgereckt, die Tasche fest in der Hand. Er verließ den Bahnhof und trat auf die Azadi-Straße hinaus, wo er ein Taxi anhielt. Dann rief er einen Kontaktmann in Teheran an, tätigte anschließend noch einen weiteren Anruf und schrieb sodann eine Adresse in das kleine Notizbuch, kaum größer als ein Kartenspiel, das er in der Tasche seines Sakkos trug.
    Er wies den Taxifahrer an, ihn zum Hotel Iran an der Andarzgu-Straße zu bringen, unweit des Heiligtums des

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