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Der Einsatz

Der Einsatz

Titel: Der Einsatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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Imam Reza. Dort würde ihn der Kollege erwarten, den er tags zuvor kurzfristig aus Teheran hierherbeordert hatte. Sein Leibwächter folgte in einem zweiten Taxi.
     
    Mehdi Esfahani saß an einem Tisch im Frühstückszimmer des Hotels und strich sich nachdenklich über den dünnen Ziegenbart. Er überlegte, ob es nicht vielleicht an der Zeit war, ihn ganz abzunehmen und sich ohne Bart zu zeigen, wie es ein paar wagemutige jüngere Beamte beim Ettelaat bereits vormachten. Der Kellner brachte ihm seine Spiegeleier, und Mehdi schloss die Augen. Wenn er den Bart abnahm und sich eine neue Frisur zulegte, sah er bestimmt wie George Clooney aus.
    Durch das Fenster erblickte er die grüne Kuppel der großen Gohar-Shad-Moschee im heiligen Teil der Altstadt. Al-Majnouns Anruf hatte ihn tags zuvor in Teheran erreicht und ihn angewiesen, umgehend nach Maschhad zu fliegen.
    «Die Stunde ist gekommen», hatte Al-Majnoun zu ihm gesagt. Das große Komplott sei herangereift und werde bald ans Licht kommen. Der Vernehmungsbeamte des Geheimdienstessolle sich für eine Nacht ein Zimmer im Hotel Iran nehmen und ihn dort zum Frühstück erwarten. Er dürfe aber niemandem vom Ettelaat ein Wort davon sagen, und er solle bewaffnet kommen.
    So hatte Mehdi auf eigene Faust Flug und Hotel gebucht. Er fühlte sich nicht gut dabei. Al-Majnoun jagte ihm Angst ein. Seit dem Moment, als sie wenige Monate zuvor erste Hinweise auf eine Verletzung der bestgehüteten Geheimnisse ihres Projekts erhalten hatten, tat er alles, was der libanesische Ermittler von ihm verlangte. Nicht einmal seine Vorgesetzten hatte er eingeweiht, weil Al-Majnoun ihm das verboten hatte. Der libanesische Ermittler war der heimliche Arm des Obersten Führers höchstpersönlich; man munkelte, dass sie einander Gedichte widmeten. Sie befanden sich im innersten Teil jener Blackbox, aus der heraus der Iran regiert wurde. Sich Al-Majnouns Befehlen zu widersetzen wäre ein tödlicher Fehler gewesen.
    Doch Mehdi Esfahani war ein vorsichtiger Mensch. Er setzte niemals alles auf eine Karte, und so hatte er minutiöse Aufzeichnungen über seine Aktivitäten gemacht. Und tags zuvor, ehe er nach Maschhad aufgebrochen war, hatte er seinem obersten Chef, dem Offizier der Revolutionsgarden, der für die Sicherheit des gesamten Nuklearprogramms verantwortlich zeichnete, die Nachricht hinterlassen, dass er zu einem Einsatz nach Maschhad reisen müsse. Sollte er aus irgendwelchen Gründen nicht wiederkommen, sollte ein Angehöriger des Nachrichtendienstes in seinem Büro die Akte mit den Aufzeichnungen einer streng geheimen und äußerst heiklen Ermittlung sicherstellen, die Mehdi im Auftrag des persönlichen Beraters des Obersten Führers durchgeführthabe. Al-Majnoun würde sicherlich mit so etwas rechnen. Schließlich brach kein Mensch bewaffnet zu einem Einsatz auf, ohne sich vorher abzusichern.
     
    Mehdi hatte Al-Majnoun zwar erwartet, erschrak dann aber trotzdem. Der Libanese hatte sich lautlos genähert und tauchte nun so rasch hinter ihm auf, dass Mehdi ihn nicht einmal aus dem Augenwinkel wahrgenommen hatte. Plötzlich spürte der Vernehmungsbeamte eine Hand auf der Schulter, und als er sich umdrehte, blickte er in das scheußlich entstellte Gesicht Al-Majnouns. Der Wahnsinnige setzte sich neben ihn. Seine Augen waren hinter der Sonnenbrille verborgen, und doch sah er anders aus als bei ihrer letzten Begegnung. Wenn er ihn nicht erwartet hätte, wäre Mehdi nicht einmal sicher gewesen, dass es sich um denselben Mann handelte. Doch so war das eben mit Al-Majnoun. Er war weniger ein normaler Mensch als vielmehr ein Dschinn, ein schwarzer Geist aus einer anderen Welt.
    «Das denkbar Schlimmste ist eingetreten», flüsterte Al-Majnoun mit heiserer Stimme. «Die Spione aus dem Abendland sind unter uns. Ihre Hand reckt sich bereits nach unserer Kehle. Doch heute ist der Tag, an dem wir sie bloßstellen und für immer ausmerzen werden.»
    Mehdi nickte. Seit seiner ersten Begegnung mit dem Libanesen hatte er gewusst, dass er sich eines Tages an einem Ort wie diesem wiederfinden würde, das Ziel direkt vor Augen. Al-Majnoun irrte sich nie. Er hatte gleich zu Beginn Witterung aufgenommen, um der Spur, wenn nötig, um die ganze Welt zu folgen. Irgendwann würde er am Ziel ankommen.Und Mehdi hatte er sich zum Partner erwählt. Am liebsten hätte Mehdi gleich seinen Vorgesetzten beim Ettelaat angerufen, nicht, um Hilfe von ihm zu bekommen, sondern um sich seine Anerkennung zu sichern.
    «Wer ist es

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