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Der Einsatz

Der Einsatz

Titel: Der Einsatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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während der Fahrer seinen Opfern die Khayyam-Straße entlang bis zum Hotel Homa folgte.
     
    Karim und Reza verzehrten ein leichtes Abendessen in der
Seidenstraße
. Reza hätte gern ein ganzes mehrgängiges Menü bestellt, um weiter vor seinem Freund zu prahlen, doch Karim erklärte, er sei nicht besonders hungrig. Reza zwinkerteihm verschwörerisch zu und flüsterte, Karim brauche wohl etwas von seinem Selbstgebrannten, dem allerbesten, den es gebe, so wie früher, als sie noch jung und leichtsinnig waren. Er ließ sich partout nicht davon abbringen, und im Grunde hatte Karim auch gar nichts dagegen einzuwenden, seine schmerzenden Beine vor der langen Rückfahrt über die Grenze ein wenig zu betäuben. So willigte er schließlich ein, noch auf einen schnellen Drink in den Bergen, bei Reza zu Hause, mitzukommen. Aber danach, sagte er, müsse er wirklich gehen. Er habe die Nummer eines Taxis, das ihn abholen würde, sein Freund könne also so viel trinken, wie er wolle.
    Als sie das Restaurant verließen, schoss aus einer Seitengasse ganz in der Nähe eine dunkle Gestalt hervor, ein kräftiger, muskulöser Mann, gekleidet wie einer der Wanderarbeiter, die wie streunende Ziegen über die pakistanische Grenze ins Land strömten. Mit ausgestrecktem Arm stolperte er in Windeseile auf Reza zu und schlug ihm gegen die Schulter. Reza schrie auf vor Schmerz. Er tastete instinktiv nach seiner Brieftasche, um sicherzugehen, dass er nicht beraubt worden war, und schimpfte dann dem Mann hinterher, der bereits um die nächste Ecke verschwunden war.
    «
Akh!
Das hat wehgetan. Und es brennt, als hätte er mich mit irgendwas gestochen. So ein Schuft. In diesem Land ist man als harmloser persischer Bürger langsam seines Lebens nicht mehr sicher. Was sollte denn das?» Er rieb sich die Schulter, wo der Mann ihn getroffen hatte.
    Karim war wie vom Donner gerührt. Er hatte einen Blick auf das Gesicht des Mannes erhascht, kurz nachdem der Reza angerempelt hatte, und ihn erkannt. Es war Hakim, derpakistanische Agent, der ihn aus dem Iran herausgebracht hatte.
    «Soll ich vielleicht die Polizei rufen?» Reza rieb sich weiter den Arm. «Was meinst du?»
    Karim konnte sich immer noch nicht rühren. Er wusste instinktiv, was geschehen war, wagte aber nicht, sich das alles in seinem ganzen Ausmaß vorzustellen.
    «Keine Polizei», sagte er. «Lass uns zu dir fahren. Das wird schon wieder.»
    «Ich brauch ’nen Drink, Bruder, und ’ne heiße Nummer.» Reza verfiel wieder in seinen Rapper-Tonfall, doch seine Stimme wurde bereits schwächer.
     
    Reza steuerte den Peugeot zurück nach Norden, in einen der Vororte oberhalb der Universität. Er fuhr sehr unsicher, beschleunigte und verlangsamte im falschen Moment wie ein altes Weib, und die anderen Wagen hupten verärgert. Nach zwanzig Minuten sagte Reza, er fühle sich nicht besonders wohl, und so fuhr Karim das letzte Stück bis zum Haus seines Freundes. Es lag in den Bergen, hoch über der Stadt, auf einem ziemlich großen Grundstück: eine weitere Belohnung für Rezas Verdienste um das Nuklearprogramm. Reza ließ Karim in die dunkle Zufahrt einbiegen, und als sie den Weg zum Haus entlanggingen, stützte er sich schwer auf Karims Schulter. Unter ihnen funkelten die Lichter der Altstadt, und die grüne Kuppel der Moschee sah aus dieser Entfernung aus wie ein großer Smaragd.
    «Du solltest dich hinlegen», sagte Karim. Er spürte, dass der Körper seines Freundes immer schlaffer wurde, je weiterdie Lähmung fortschritt. Als er Reza auf das Sofa bettete, standen Karim die Tränen in den Augen. Er wischte sie weg. Sein Freund atmete immer flacher, und nun begann er auch noch zu wimmern wie ein Hund, der um Zuwendung bettelt. Wie war das alles bloß möglich?
    Karim wusste, dass er eigentlich einen Arzt rufen sollte. Vielleicht blieb ja noch Zeit, seinen Freund zu retten. Reza stöhnte, Speichel rann ihm aus dem Mundwinkel. Karim fasste nach seiner Hand. Sie war ganz kalt.
    «Nur ruhig», sagte Karim. «Es wird alles wieder gut.»
    Die Tränen strömten ihm jetzt ungehindert über die Wangen. Was hatte er bloß getan? Wie hatte er das alles in Gang gesetzt? Karim dachte an den Amerikaner zurück, an Mr.   Harry. Wer war dieser Mann, der vorgab, sein Freund zu sein? Er beugte sich über Reza, deckte ihn mit seinem Körper zu wie mit einer Decke. Er spürte die Atemzüge, die immer langsamer wurden, immer rasselnder klangen. Dann hörte Reza auf zu atmen. Doch Karim blieb immer noch auf ihm

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