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Der Einsatz

Der Einsatz

Titel: Der Einsatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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hatte.
    «Komm, Karim.» Sein Freund zog ihn am Ärmel. «Das musst du dir ansehen.»
    Mitten in dem neuen Laborraum stand auf einem Tisch die kostbare Neutronenquelle. Ihre Metallverkleidung glänzte, als hätte man sie eben erst ausgepackt. Das Gerät war klein und zylindrisch, kaum mehr als einen halben Meter lang. Am einen Ende befand sich ein dickes Metallgehäuse mit einem Loch darin, durch das die Zündvorrichtung eingeführt werden konnte, und in der Mitte war der elektromagnetische Impulsgenerator, der die Sprengstoffenergie in elektrische Spannung umwandelte, wodurch das darin enthaltene Deuterium ionisiert und in Richtung auf das Tritium beschleunigt wurde. Bei aller technischen Komplexität war es letztlich ein simpler physikalischer Vorgang: Die Deuterium-Tritium-Reaktion setzte eine hohe Anzahl von Neutronen frei, die dann ihrerseits in den Plutoniumkern der Bombe drangen und dort eine Kernspaltung auslösten. Das Ergebnis war eine furchterregende Waffe, die alle Energie der Sonne in ein paar hundert Kilogramm Metall presste.
    «Nicht schlecht!», bemerkte Karim mit widerwilliger Anerkennung. «Die sieht ja genauso aus wie unsere in Teheran. Nur neuer.»
    «Und sehr viel besser, Bruder. Es dauert nicht mehr lange, dann machen wir die ganze Arbeit. Wirst schon sehen. IhrJungs in Teheran bekommt zwar die Anerkennung, aber eure Forschungen werden doch niemals das richtige Ergebnis liefern. Es wird Zeit, dass euch Maschhad mal ein paar Nachhilfestunden in Kernphysik gibt.»
    «Aber wo habt ihr das Ding denn her? Ich dachte, unseres in Tohid ist das Einzige.»
    «Psst!» Reza legte den Finger an die Lippen. «Wir haben es selbst gebaut. Das ist ja das Tolle daran. Wir haben die einzelnen Teile im Ausland gekauft und sie dann hier montiert. Das hat bisher noch keiner geschafft, mein Bruder. Und ich war dabei. Dein alter Freund Reza, der nicht klug genug war, um ein Stipendium für Deutschland zu kriegen. Was sagst du jetzt?»
    Das war der Reza, wie Karim ihn von früher kannte: großspurig und immer auf einen Wettstreit aus. Ein junger Mann, der einfach immer beweisen musste, dass er es besser konnte, ganz gleich, welche Vorlage man ihm gab. Früher hatten sie sich zahllose Abende damit um die Ohren geschlagen, auf den großen Simulationscomputern irgendwelche Graphikprogramme zu schreiben, und sich gegenseitig dazu angestachelt, Porno-Bilder aus dem Internet herunterzuladen und sie anonym an die Bartträger zu schicken, die die jungen Wissenschaftler beaufsichtigten.
    «Träum weiter, Reza. Die funktioniert nie im Leben besser als unsere Maschine in Teheran. Wir haben vielleicht noch etwas Sand im Getriebe, aber ihr habt eures noch nicht mal angelassen.»
    «Falsch, falsch, falsch. Ihr seid auf dem besten Weg, zum Reserveplan zu werden, Bruder. Der neue Plan A, das sind wir. Wart’s nur ab. Du kannst froh sein, wenn du deine alteStelle in Maschhad wiederbekommst, sobald sie den Laden in Teheran erst mal dichtmachen.»
    Karim lachte spöttisch auf. «Und wie wollt ihr das anstellen? Mit Computern, die nicht richtig funktionieren? Mit einer Software, von der ihr keine Ahnung habt? Ich kenne dich zu gut, Reza. Du warst immer der König der Fehlermeldungen. Ich wette, du weißt nicht mal, wie man die Simulation der Neutronenquelle in Gang setzt. Das ist doch alles nur Fassade.»
    «Du Hund, du», schimpfte Reza und ging zu dem Schreibtisch hinüber, auf dem der Hauptrechner stand. Der Schreibtischstuhl davor war kaum benutzt: Das Leder glänzte noch, und auch der Computer selbst wirkte genauso neu und unbenutzt wie die Neutronenquelle. Sie hielten ihn allzeit bereit, hatten ihn in der Hinterhand, falls er irgendwann einmal gebraucht wurde. Doch die eigentliche Arbeit wurde an dem großen Rechner erledigt, der die Reaktion der Neutronen mit dem spaltbaren Kernmaterial simulierte. Die Simulation dieser Vorgänge war die tragende Säule des ganzen Projekts.
    Reza setzte sich vor den Rechner und fuhr ihn hoch. Der bis dahin schwarze Bildschirm wurde hell und zeigte gleich darauf eine Benutzeroberfläche.
    «Mir ist wahnsinnig warm», sagte Karim. «Hast du was dagegen, wenn ich die Jacke ausziehe?»
    Reza achtete gar nicht auf ihn, er war viel zu vertieft in das Summen seines Superspielzeugs. Karim legte sein schwarzes Sakko auf den Rechner. Auf dem Bildschirm war jetzt das Anmeldefeld zu sehen.
    «Schau jetzt ja nicht hin», meinte Reza augenzwinkernd.
    Karim drehte sich weg, während sein Freund Benutzernamenund

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