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Der Einsatz

Der Einsatz

Titel: Der Einsatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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Passwort eingab. Das Sakko und das Gerät, das darin geräuschlos seine Arbeit tat, lagen nur wenige Meter von seinen flinken Fingern entfernt. Der Bildschirm wurde wieder schwarz, und gleich darauf befanden sie sich im geheimsten virtuellen Raum der Islamischen Republik Iran.
    «Jetzt pass auf», sagte Reza. «Erst letzte Woche haben wir ein paar Simulationen mit der Neutronenquelle durchgespielt. Jetzt arbeiten wir daran, bessere Resultate zu bekommen. Und dann: Gute Nacht, Tel Aviv! Vorsicht, Karim. Ihr eingebildeten Teheraner Schnösel werdet noch ganz schön alt aussehen, wenn unsere Testergebnisse stimmen und eure nicht.»
    Karim lächelte anerkennend, als Reza ihm die Simulation demonstrierte.
    «Das ist besser, als ich erwartet hätte. Aber man merkt trotzdem, dass es noch nicht die volle Ladung ist. Ihr seid noch im unterkritischen Stadium. Das wird verpuffen, Bruder, lass dir das gesagt sein. Ihr seid noch längst nicht so weit.»
    «Warum bist du bloß so arrogant, Karim! Dir würde nicht einmal das Blut des Imams Hussein eine Träne abringen. Aber gut, dann zeige ich dir jetzt mal, was ein echter Wissenschaftler alles zustande bringt.»
    Seine Finger flogen über die Tastatur, und das Computersystem demonstrierte summend eine weitere, sehr viel komplexere Simulation. Doch nach jedem Kunststück, das Reza vorführte, fragte Karim ihn nach einem weiteren, das er noch nicht beherrschte. Irgendwann räumte Reza den Schreibtischstuhl, damit Karim ihm ein paar Funktionsweisen des Programms zeigen konnte, die Reza noch nicht durchschauthatte. Karim warf einen Blick auf die Uhr. Es waren bereits fünfzig Minuten vergangen, seit sie hier vor dem Rechner saßen und sich gegenseitig zu immer neuen Großtaten anstachelten. Die anderen Forscher aus dem Labor hatten sich inzwischen verzogen und das Spielfeld den beiden jungen Überfliegern überlassen.
    Karim schlug einen allerletzten Test vor, mit dem Reza beweisen sollte, dass die Ausrüstung auch wirklich funktionierte. Es ging um ein Protokoll, das die Deuterium-Tritium-Reaktion «ankurbeln» sollte, um deutlich mehr Neutronen und damit eine sehr viel stärkere Implosion zu erzeugen. Das war in Teheran bisher immer schiefgegangen. Reza versuchte sich daran, doch das Manöver war tatsächlich zu hoch für ihn, und auch Karim gelang es nicht, den Computer dazu zu bewegen, die entsprechende Sequenz durchzuführen.
    «Das liegt am Rechner. Genau wie in Teheran. Irgendwas stimmt da nicht.»
    «Nein, Karim. Der Rechner irrt sich nie, zumindest nicht dieser hier, den Bruder Reza, das größte Wissenschaftsgenie überhaupt, zusammengebaut hat. Ich weiß, dass es an dir liegt, und du weißt es auch. Warum gibst du es nicht einfach zu?»
    Karim warf einen letzten Blick auf die Uhr und griff dann nach seinem Sakko.
    «Bruder, du bist mir lieb und teuer», sagte er. «Und eines Tages wirst du zu uns nach Jamaran kommen und uns dort mit den großen, den richtigen Rechnern helfen. Aber jetzt bin ich langsam müde. Die lange Reise von Teheran hierher steckt mir noch in den Knochen. Was hältst du davon, wenn wir etwas essen gehen?»
    Reza senkte die Stimme. «Und später dann vielleicht noch auf einen Selbstgebrannten. Ich habe da eine neue Quelle aufgetan. Das Zeug schmeckt original wie russischer Wodka, Karim, ich schwör’s dir: Es ist das Allerbeste. Ich wohne ganz allein oben in den Bergen, kein Mensch weit und breit. Da wird uns also niemand sehen. Die
basij
würden sich nicht mal blicken lassen, wenn wir dort eine Orgie abhalten würden.»
    «Still», mahnte Karim. Langsam machte sein Freund ihn nervös mit seiner Prahlerei.
    Sie gingen den langen Flur des neuen Anbaus entlang und traten durch die bewachte Tür nach draußen. Karim unterschrieb auf der Besucherliste des Wachmannes, und der alte Ali küsste ihn dankbar auf beide Wangen, einfach nur, weil Karim sich noch an ihn erinnert hatte. Am Haupteingang sammelte Karim sein Handy wieder ein und gab auch diesem Wachmann zum Dank die Hand. Er versprach, bald wiederzukommen.
    Die Sonne stand bereits tief am Himmel. Reza fragte Karim, wo er essen gehen wolle. Am Khayyam-Boulevard gebe es ein neues Restaurant namens
Seidenstraße
, das sei sehr bemerkenswert, und zwar nicht nur wegen des guten Essens. Die hübschen Studentinnen von der Technischen Universität gingen gerne zum Kaffeetrinken dorthin. Reza versuchte, seinen Freund auch auf diesem Gebiet zu beeindrucken. Diese Teheraner waren einfach viel zu arrogant – das

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