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Der Einsatz

Der Einsatz

Titel: Der Einsatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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Gewalt zu bekommen, um sie später verhören zu können.
    Als der Feuerball gen Himmel schoss, fiel Adrian Winkler auf die Knie und stieß einen lauten Schrei aus. Harry Pappas wollte etwas sagen, brachte aber keinen Ton heraus. Genau das hatte er schon einmal erlebt: dieses Gefühl, dass ihm das Leben eines jungen Mannes anvertraut worden war und er ihn doch nicht hatte retten können. Beide Männer waren von ihrem Schmerz wie gelähmt. Schließlich half ihnen Jeremy, der junge SI S-Agent vom Stützpunkt Aschgabat, wieder auf die Beine und führte sie zum Hubschrauber zurück. Sie mussten fort von hier, ehe noch mehr iranische Ermittler auftauchten und die Sache nur noch komplizierter machten.

37   London
    Umhüllt von einer Aura aus Leid und Scheitern flogen sie nach London zurück. In den ersten paar Stunden empfanden sie nichts weiter als den betäubenden Schmerz des Verlusts. Kamal Atwan hatte Turkmenistan bereits verlassen, als der Hubschrauber wieder in Aschgabat eintraf – dringende Geschäfte in London, wie er sagte. Doch er hatte ein zweites Flugzeug aufgetankt und startklar am Flughafen zurückgelassen, das Adrian Winkler zur freien Verfügung stand, und Jeremy riet ihnen, das Land so bald wiemöglich zu verlassen, bevor die Aufregung ihren Höhepunkt erreichte. Er überbrachte Adrian mit ernster Miene eine Mitteilung, die gerade von Sir David Plumb aus London eingetroffen war und deren gewählte Worte letztlich doch nur auf die Botschaft hinausliefen: «Schwingen Sie Ihren Hintern auf der Stelle nach Hause.»
    Auch Harry sprach sich nicht fürs Bleiben aus. Er wollte den Ablauf der Ereignisse dieser letzten paar Tage rekonstruieren, soweit er sie überhaupt verstand, und dafür war es im Grunde egal, wo er sich aufhielt. In ihm gärte ein ganz privater Zorn, ein Abscheu, der sich gegen alles und jeden ringsum richtete, vor allem aber gegen sich selbst.
    Die Maschine, eine Gulfstream G5, war Atwans Privatflugzeug, in dem er gern Freunde und Kunden mitnahm, und ganz in Gold und Leder eingerichtet wie ein fliegender Herrenclub. Selbst die Toilette besaß ein eigenes Fenster. Die Flugbegleiterin, eine üppige Dame aus dem Norden Englands, beugte sich beim Servieren der Drinks so tief über die Gäste, dass sie ihr fast die Nase ins Dekolleté stecken konnten. Adrian kannte das Flugzeug offensichtlich schon, denn kurz nach dem Start ließ er sich in der hinteren Kabine von der Flugbegleiterin das Bett machen. Die Laken waren aus schwarzer Seide, und an der Decke war ein Spiegel angebracht. Adrian bot Harry das Bett an, doch der lehnte ab, und so verkroch Adrian sich in der Kabine und schloss die Tür.
    Harry ließ sich in einen tiefen Ledersessel sinken und schloss die Augen. Er wollte nicht schlafen, sondern nachdenken. Er hatte die ganze Geschichte direkt vor sich, und doch konnte er sie nicht deuten. Ihm blieben nur lauter Fragen:Wie konnte es sein, dass in Maschhad vier Menschen umgekommen waren? Wer oder was hatte das mit allen Wassern gewaschene mobile Einsatzkommando so unvermutet überrascht? Warum waren sie vom ursprünglichen Fluchtplan abgewichen? Wie war Jackie an den schwarzen Paykan gekommen, der sie um ein Haar über die Grenze gebracht hätte? Und wer hatte ihn gefahren? Durch das Fernglas hatte er Jackie auf der Rückbank erkannt, doch der Fahrer war ihm völlig fremd gewesen. Und was war in den letzten Sekunden geschehen, bevor der Wagen in Flammen aufging? Harry hatte beobachtet, wie Jackie erst auf den Boden des Wagens geschossen hatte und sich die Pistole dann selbst an den Kopf hielt. Wen hatte der erste Schuss getroffen? Es konnte eigentlich nur Karim gewesen sein. Und falls er es tatsächlich gewesen war, hieß das dann, dass seine Mission im Forschungszentrum Ardabil erfolgreich gewesen oder dass sie gescheitert war? Und was war mit den Iranern? Seit wann wussten sie schon von diesem geheimen Einsatz? Hatten sie das Vorhaben von Anfang an durchschaut? Harry wollte sich diese Möglichkeit nicht eingestehen, er empfand sie als unerträgliche Schande; doch bei so vielen Toten konnte er sie auch nicht völlig ausschließen.
    Und welche Rolle spielte Kamal Atwan bei alldem? Diesen Teil der Geschichte begriff Harry am allerwenigsten. Atwan hatte ihnen praktisch jede ihrer Aktivitäten ermöglicht. Er hatte mit der Sicherheit eines Mannes agiert, der einen eigenen Geheimdienst betreibt, und gehalten, was er ihnen versprochen hatte, doch am Ende war alles in die Katastrophe gemündet. Was

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