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Der Einsatz

Der Einsatz

Titel: Der Einsatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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hatte Harry übersehen? Hätte er irgendwie voraussehen können, welche Schrecken das Team beim Zurückschleusendes Agenten Karim Molavi in den Iran erwarten würden? Hatte er den Jungen durch bloße Unaufmerksamkeit in den Tod geschickt?
     
    Harry ließ Adrian zwei Stunden schlafen, dann weckte er ihn und brachte ihm eine Tasse starken schwarzen Kaffee in die Kabine.
    «Wach auf, Bruder», sagte er. «Wir müssen reden.»
    «Ich bin völlig im Arsch, Harry», murmelte der Brite schlaftrunken. «Ich habe diese Frau geliebt. Ich habe Tabletten genommen, ich muss jetzt einfach schlafen. Lass uns später in London reden.»
    «Hoch mit dir.» Harry drückte ihm den Kaffee in die Hand. «Es ist mir ernst. Ich brauche ein paar Antworten, bevor wir in London landen. Bald fliegt uns die ganze Sache um die Ohren, da muss ich wissen, was zum Teufel hier eigentlich vorgeht.»
    Stöhnend nahm Adrian den Kaffee in Empfang. Er wusste, dass Harry ohnehin keine Ruhe geben würde, bis er mit ihm redete. Nach außen hin wirkte sein amerikanischer Freund immer so nachgiebig, doch wenn ihm etwas wichtig war, konnte er unerbittlich sein. Und so verzog Adrian sich auf weichen Knien in die kleine, mit rotem Samt ausgekleidete Nasszelle, putzte sich die Zähne und wusch sich das Gesicht mit kaltem Wasser. Als er wieder herauskam, zwang Harry ihn, den Kaffee auszutrinken, und holte ihm dann noch eine zweite Tasse.
     
    «Ist der Flieger verwanzt?» Das war Harrys erste Frage. Sie saßen nebeneinander in der Achterkabine. Das Bett war wieder hochgeklappt.
    «Was weiß ich?», brummte Adrian. «Wahrscheinlich.»
    «Dann flüsterst du mir ins Ohr und ich  dir. Das hier gehtnur uns beide etwas an, nicht deinen Geschäftsfreund.»
    Adrian verzog das Gesicht. «Immer mit der Ruhe, Harry. Meine ganze berufliche Laufbahn geht gerade den Bach runter. Wenn das hier schiefläuft, bin ich am Ende.»
    «Na und? Meine Karriere ist auch im Eimer, womöglich kommt es sogar noch schlimmer. Flüstere mir ins Ohr, dann können die Wanzen uns nicht hören, und alles ist in bester Ordnung.»
    Adrian nickte, und Harry beugte sich zu ihm und flüsterte: «Jackie hat dich doch angerufen, um dir zu sagen, dass sie woanders über die Grenze kommen. Stimmt das? Du hast gesagt, sie hätte dich angerufen.»
    «Richtig», flüsterte Adrian zurück. «Sie sagte, wir sollen nach Kalat kommen. Das hat sie mich extra wiederholen lassen.»
    «Was hat sie sonst noch gesagt?»
    Adrian schwieg und schloss für einen Moment die Augen, dann beugte er sich wieder zu Harry und flüsterte:
    «Sie meinte, sie hätte die Jungs verloren. Dann hat sie noch gesagt, dass Karim am Leben und bei ihr sei und dass sie beide rauskommen würden.»
    «Und was noch? Hat sie irgendwas erklärt? Hat sie gesagt, was in Maschhad vorgefallen ist? Wie es überhaupt zu dieser Planänderung kam?»
    «Kein Wort. Es war nur ein kurzes Gespräch. Sie hatteAngst, dass die Leitung nicht sicher ist, und wollte so schnell wie möglich wieder auflegen.»
    Harry lehnte sich zurück. Seine Augen blitzten, und er sprach laut, brüllte beinahe.
    «Ich glaube dir kein Wort, Adrian. Das kann niemals alles gewesen sein. Sag mir die Wahrheit, verdammt nochmal! Was hat sie noch gesagt?» Er packte seinen Freund am Kragen und zog seinen Kopf dicht zu sich heran.
    «Nichts», krächzte Adrian.
    Harry versetzte ihm eine schallende Ohrfeige.
    «Du bist ein verlogenes Stück Scheiße, Adrian. Sag mir die Wahrheit. Es war ein Einsatzgespräch, es wurde über die Zentrale in London weitergeleitet. Glaubst du etwa, wir können so was nicht abfangen und entschlüsseln? Da hast du dich aber massiv geschnitten. Ich werde es so oder so herausfinden. Fragt sich nur, ob ich dann noch einen Funken Respekt für dich übrighabe. Also sag mir jetzt die Wahrheit, du dreckiger, egozentrischer Wichser!» Er schlug ihn ein zweites Mal ins Gesicht.
    Adrian liefen Tränen über die Wangen – nicht von den Schlägen, sondern wegen einer viel tiefer sitzenden Qual. Er erinnerte sich nur zu gut daran, was Jackie gesagt hatte. Ihre anklagenden Worte würden ihn bis an sein Lebensende verfolgen. Er lehnte den Kopf an Harrys Schulter, und Harry spürte, wie die Tränen ihm das Hemd durchweichten.
    «Gesagt hat sie:
Verdammt, Adrian, was läuft hier eigentlich?
Sie wollte wissen, was da schiefgelaufen ist, was den Einsatzplan so ruiniert hat. Und sie sagte, sie wüsste nicht, ob sie erfolgreich gewesen oder gescheitert seien. Sie war zornig und

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