Der Einsatz
Gipfel, und der kleine Wagen rumpelte über eine Bodenwelle, die ihn ein Stück durch die Luft trug, dann kam er so hart wieder auf, dass die Stoßdämpfer fast durchschlugen. Der Fahrer trat das Gaspedal bis zum Anschlag durch.
Nun ging es bergab, auf eine Schlucht zu, die einen guten Kilometer vor ihnen lag. Entlang des ausgetrockneten Flussbetts in ihrer Mitte verlief die Grenze. Auf der kleinen Brücke über den Fluss war ebenfalls eine Sperre errichtet worden, doch rechts und links von ihr schlängelten sich Pfade das Ufer hinab, auf denen ein Fahrzeug das Flussbett überqueren und auf die andere Seite gelangen konnte. Die Polizeiwagen kamen immer näher. Ob der Paykan es wohl noch über die Grenze schaffen würde, ehe sie ihn erreichten?
Plötzlich ließ ein durchdringender Knall von hinten sie alle zusammenfahren. Karim und Jackie drehten sich erschrocken um und sahen, dass vom Beifahrersitz des vorderen Polizeiwagens auf sie geschossen wurde. Noch wurden die Kugeln einfach ziellos abgefeuert, doch mit jedem Schuss kamen die Polizisten ihrem Ziel ein wenig näher.
«Die Waffe», brüllte Jackie dem Fahrer zu, doch der verstandsie anscheinend nicht. Jackie lehnte sich über den Sitz nach vorn und packte ihn an der Gurgel.
«Geben Sie mir Ihre gottverdammte Waffe!», schrie sie. Der Fahrer zog etwas aus der Innentasche seiner Jacke und warf es auf den Beifahrersitz. Es war eine Pistole, ein deutsches Fabrikat. Vom Polizeiwagen aus wurde immer noch geschossen. Einige Kugeln hatten die dünne Karosserie des Paykan bereits durchschlagen.
«Runter», rief Jackie ihrem Schützling zu, doch Karim drängte sich nur näher an sie, als wollte er sie schützen.
«Runter mit dir», schrie sie und drückte ihn auf den Boden vor der Rückbank. Dann kurbelte sie das Fenster herunter und feuerte mit der Walther nach hinten. Sie war eine deutlich bessere Schützin als die iranischen Polizisten und traf bereits beim zweiten Mal den Fahrer des vorderen Fahrzeugs. Der Streifenwagen kam von der Straße ab, doch der zweite folgte ihnen unerbittlich, und vom Beifahrerfenster und von der Rückbank aus wurde mit Maschinenpistolen gefeuert.
Vor ihnen lag das Flussbett, die Grenze. Auf der turkmenischen Seite stand in den ersten Strahlen der Morgensonne ein Grüppchen Menschen. Ein Hubschrauber wartete abflugbereit, seine Rotoren durchschnitten die Luft. Ganz vorne standen zwei Männer, die den herannahenden Paykan durch Ferngläser beobachteten.
Das Maschinengewehrfeuer vom Polizeiwagen aus nahm jetzt die empfindlichste Stelle des Paykan ins Visier: die Reifen. Als Erstes traf es den rechten Hinterreifen, der sofort platzte und dann in Fetzen hing. Der Fahrer hielt weiter unbeirrtauf den Flussrand zu, doch als eine weitere Salve auch noch den zweiten Hinterreifen zerfetzte, kam er praktisch nicht mehr vorwärts. Er riss das Steuer herum und lenkte den Paykan von der Straße weg auf unebeneres Gelände, um ihn so irgendwie bis zum rettenden Flussbett zu bringen, das keine hundert Meter mehr entfernt lag. Doch der Mercedes war jetzt auf gleicher Höhe mit ihnen, und der Beifahrer feuerte und feuerte, sodass die Kugeln den Wagen nur so durchsiebten. Eine traf den Fahrer; er fluchte lauthals, hielt das Lenkrad aber weiter fest umklammert. Verzweifelt trat er das Gaspedal durch, aber die blanken Felgen gruben sich bloß in den weichen Untergrund, und der kleine Wagen kam keinen Millimeter mehr vorwärts.
Jackie schaute auf den jungen Mann, der im Fußraum vor der Rückbank kauerte, und dann auf ihre Waffe. Sie würden es nicht schaffen. In Kürze würde man sie gefangen nehmen, und das durfte sie nicht zulassen. Karim hatte sich auf dem Boden des Wagens zusammengerollt, er war Mann und Kind zugleich. Jackie zielte auf seinen Kopf und drückte ab. Dann richtete sie die Waffe gegen sich selbst.
Für die Männer auf der anderen Seite der Grenze waren die letzten paar Sekunden am schwersten zu ertragen. Sie mussten mit ansehen, wie die Kugeln des iranischen Polizeiwagens den Paykan von vorn bis hinten durchsiebten, bis schließlich eine davon den Tank durchschlug und der Wagen in einem gewaltigen Feuerball explodierte. Das führte sie später zu dem Schluss, dass es sich tatsächlich um einen echten Polizeieinsatz gehandelt haben musste und nichtum eine Geheimdienstoperation. Der Geheimdienst hätte den Wagen niemals einfach in die Luft gejagt, sondern im Gegenteil alles darangesetzt, die beiden Passagiere lebend in seine
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