Der Einsatz

gegeben. Eine türkische Quelle behauptete, der Geheimdienstchef sei vom nationalen Sicherheitsberater höchstpersönlich zum Obersten Führer zitiert worden. Ein in den syrischen Mukhabarat eingeschleuster Mossad-Agent, der sich zufällig gerade auf Reisen im Iran befand, berichtete von heller Panik bei der Geheimdienstabteilung der Revolutionsgarden, weil einer ihrer leitenden Agenten, der für die Sicherheit des Nuklearprogramms zuständig war, spurlos verschwunden sei. Die Iraner befürchteten, er könnte sich nach Israel abgesetzt haben, doch der Vertreter des Mossad in Washington berichtete, das sei leider nicht der Fall.
    Der interessanteste Bericht aber war erst kürzlich eingegangen und stammte von einem russischen Agenten, der in ein Inspektorenteam der Internationalen Atomenergiebehördeeingeschleust worden war. Das Team hielt sich gerade im Iran auf, um Gespräche über neuerliche Inspektionen der Atomanlagen zu führen, und der russische Agent berichtete, in den letzten vierundzwanzig Stunden sei jeder Zugang zu sämtlichen iranischen Nukleareinrichtungen, offiziellen sowie inoffiziellen, untersagt worden. Seit dem Morgen dürften nicht einmal mehr iranische Wissenschaftler mit ihrer ganz normalen Zugangsberechtigung an ihren Arbeitsplatz. Die Inspektoren der Atombehörde hätten ihrem Kontaktmann im Stab des iranischen Präsidenten eine dringende Informationsanfrage geschickt, doch dort sei man anscheinend ebenfalls in Panik.
    Harry spürte, wie seine trübe Stimmung sich langsam aufhellte. Anscheinend war innerhalb des iranischen Atomprogramms etwas Schwerwiegendes vorgefallen, und man versuchte jetzt herauszufinden, wie dramatisch die Situation war. Man zog höhere Verantwortliche hinzu, den Wissenschaftlern blieb der Zugang verwehrt, und selbst der iranische Präsident wurde nervös. Über Teheran braute sich ein Unwetter zusammen. Das ließ hoffen.
     
    Was wusste er also? Was konnte er als gesichert annehmen, unabhängig davon, was sonst noch alles auf dem Weg bis zu dem todbringenden Feuerball am Flussbett bei Kalat passiert war? Harry wusste, dass die Iraner in jedem Fall in helle Aufregung versetzt waren, selbst wenn sich der Einsatz in Maschhad als totaler Reinfall entpuppen sollte. Ein wissenschaftlicher Mitarbeiter ihres Nuklearprogramms war ums Leben gekommen. Inzwischen hatte man Karim Molavis Leiche indem ausgebrannten Wagen sicher bereits identifiziert. Bei Jackie würde ihnen das vermutlich nicht so leicht gelingen, ebenso wenig wie bei den beiden anderen Mitgliedern des
Increment
– es sei denn, die Briten hätten irgendeinen großen Fehler begangen. Die Iraner hatten also keine Beweise, waren aber paranoid genug, um die Wahrheit zumindest zu erahnen. Ihr Wissenschaftler war bei dem Versuch gestorben, mit ein paar ausländischen Geheimagenten aus dem Iran zu fliehen. Er war als ausländischer Agent rekrutiert worden. Was immer er angefasst hatte, war potentiell verseucht, und sie konnten nicht mit Sicherheit sagen, wie weit das Übel sich schon verbreitet hatte. In jedem Fall mussten sie aber mit dem Schlimmsten rechnen: damit nämlich, dass ihr Nuklearprogramm sabotiert worden war.
    Teheran musste also rasch handeln. Harry wusste, dass man das Ergebnis nicht sofort erkennen würde, dafür waren die Iraner viel zu vorsichtig. Doch er würde die Schatten der Leute sehen, die versuchten, andere Teile des Nuklearprogramms zu schützen, die nun ebenfalls unter Verdacht gerieten. Er würde das Echo der Stimmen hören, die jemanden zum Verhör zitierten und jemand anders von seinem Posten im Ausland abberiefen, wo derjenige nicht mehr sicher war. Genau darauf würde er achten: auf die vielen kleinen Nachbeben.
    Harry vertiefte sich in den NS A-Ordner . So, wie die Nachrichten angeordnet waren, konnte er sie nicht richtig durchsuchen und rief deshalb Tony Reddo, einen seiner pfiffigen Jungs, herein und bat ihn, ihm einen digitalen Filter einzurichten, der ihm alle personellen Veränderungen innerhalb der vergangenen achtundvierzig Stunden herausfischte.Anfangs wollte das nicht so recht klappen, doch dann rief Reddo einen Freund bei der NSA an und spielte noch ein wenig mit den Suchparametern herum, bis er Harry schließlich genau das bieten konnte, was er brauchte. Mit Hilfe der richtigen Stichwörter konnte man es bereits erkennen, wenn man sich nur die Liste der abgefangenen Nachrichten ansah. Sie funkten an das gesamte System, nach Frankfurt, London, Dubai und Beirut. Natürlich war bisher