Der Einsatz

Titel: Der Einsatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius

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Grenze wäre vor zwei Tagen etwas sehr Schwerwiegendes vorgefallen, und war ganz überrascht, dass ich nichts davon wusste.»
    «Was gäbe es da schon groß zu wissen?», fragte Harry in zuckersüßem Ton.
    «Machen Sie sich nicht über mich lustig, Harry. Das habe ich nicht verdient. Was ist hier los?»
    «Bleiben Sie einfach am Ball, dann wird Ihnen alles klarwerden. Oder eben nicht. Aber wie die Sache auch immer ausgeht, Sie werden in jedem Fall Hilfe brauchen. Ich schicke Ihnen morgen einen meiner Jungs vorbei.»
    Anita Pell protestierte lauthals, dass sie keinerlei Hilfe benötige, klang dabei aber doch sehr erleichtert, dass sie welche bekommen würde.

    Am liebsten wäre es Harry gewesen, auch in Maschhad jemanden vor Ort zu haben, aber das war natürlich nicht möglich. Die CIA hatte schon in Teheran kaum Informanten, geschweige denn im Osten des Landes. Doch dank der technologischen Überlegenheit der USA kam er auch so an erstaunlich viele Informationen. Sein Vorteil war, dass er wusste, wonach er suchen musste. Er kannte die Koordinaten des Forschungszentrums Ardabil, und die Kartographen hatten es innerhalb kürzester Zeit oberhalb der nördlichen Umgehungsstraße lokalisiert. Die Bilder waren alle da: Die Satelliten zogen jeden Tag präzise wie ein Uhrwerk über den Iran und sorgten für eine fast flächendeckende Erfassung,und jedes digital übertragene Bild lebte in den magischen Geheimdienstarchiven auf ewig weiter, sodass man die Realität zurückspulen konnte wie eine alte Filmrolle.
    Das National Reconnaissance Office unterhielt eine Zweigstelle in Langley, damit auch die Agenten der CIA bei Bedarf auf diese Welt der Bilder zugreifen konnten. Marcia hatte dort vor ein paar Stunden angerufen und eine Sonderanfrage gestellt. Die Techniker waren mürrisch und nicht ganz leicht zu handhaben, doch Marcia stand ihnen darin in nichts nach. Sie gab Harrys Suchparameter durch, und als sie schließlich hatte, was sie wollte, rief sie Harry an und führte ihn in einen entlegenen Raum im neuesten Anbau des Gebäudes, ganz hinten beim Braunen und Gelben Parkplatz.
    «Seien Sie nett zu den Leuten, Harry», ermahnte sie ihn auf dem langen Flur vor der NR O-Zweigstelle . «Sie tun Ihnen einen Gefallen. So was kommt immer noch vor, selbst hier.»
    «Ich war noch nie nett», brummte Harry. «Seit wann haben Sie denn damit Probleme?»

    Er ließ die NR O-Techniker die Bilder sämtlicher Satelliten vom fraglichen Tag bis zu dem Zeitraum zurückspulen, als Karim das Forschungszentrum in Maschhad verlassen sollte, auf etwa vier Uhr nachmittags. Die Tageslichtkameras waren noch im Einsatz, und die Bildauflösung erwies sich als hervorragend. Nach kurzer Zeit hatte Harry den Mitsubishi entdeckt, der draußen vor dem Gelände wartete. Unter den Ardabil-Angestellten, die das Labor verließen, glaubte er,Karim zu erkennen; er ging neben einem anderen jungen Mann, bei dem es sich wohl um seinen Freund Reza handeln musste.
    Das digitale Gedächtnis hatte alles gespeichert, als könnte man das Leben selbst noch einmal abspielen. Harry sah, wie Rezas Peugeot nach Süden zum Restaurant fuhr, und er sah den Mitsubishi, der ihm folgte. Während Karim und Reza im Restaurant saßen, spulte er die Bilder vor und nahm die visuelle Nacherzählung erst in dem Moment wieder auf, als Rezas Peugeot zurück nach Norden fuhr, wiederum gefolgt von dem Mitsubishi Transporter.
    Die beiden Wagen steuerten die Berge oberhalb der Stadt an, schlängelten sich durch den abendlichen Verkehr und folgten dann der Straße nach Tus, bis Rezas Wagen schließlich in eine Einfahrt einbog, die wohl zu seinem Haus gehörte. Wenig später tauchte auch der Mitsubishi dort auf. Karim führte Reza zur Eingangstür des Hauses, und sie gingen hinein. Kurz darauf betrat eine geschmeidige Gestalt, bei der es sich nur um Jackie handeln konnte, zusammen mit einem ihrer beiden Agenten das Haus, während der andere – es schien sich um Hakim zu handeln – draußen Wache hielt.
    Und dann ging plötzlich alles drunter und drüber: Ein schwarzer Wagen bog in die Einfahrt ein – anfangs sah man ihn gar nicht, weil er ohne Scheinwerfer fuhr. Erst das Aufblitzen einer abgefeuerten Waffe wies auf ihn hin, und Harry sah zu seinem Entsetzen, wie Hakim, der noch im Fallen zurückschoss, zu Boden ging. Es war inzwischen ganz dunkel geworden, und die Infrarotbilder waren schwieriger zu deuten, doch man sah noch genug, um in etwa zu begreifen, was geschah. Der Schütze stieg