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Der Einsatz

Der Einsatz

Titel: Der Einsatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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Mossad macht bekanntlich keine Fehler. Trotzdem war Al-Majnoun nun aber im Iran. Und weil er wusste, dass er ein neues Gesicht brauchen würde, wenn er weiterhin als Untoter durch die Gegend laufen wollte, begab er sich in die Hände der Chirurgen. Die haben so viel an ihm verändert, dass sie ihm wahrscheinlich gleich noch einen neuen Schwanz verpasst haben.»
    «Reißen Sie sich zusammen, Marcia.»
    «Das nützt doch auch nichts mehr. Na, jedenfalls, wenn man die Quellen durchsucht – und damit meine ich Marcias Privatquellen, denn wenn Sie mich fragen, sind die offiziellen Datenbanken da keinen müden Cent wert   –, dann findet man heraus, dass der gute Mr.   Majnoun weiterhin spezielle Aufgaben übernommen hat. Die besonders fiese Drecksarbeit. Als Anfang der Neunziger eine Dissidenten-Fraktion in den Revolutionsgarden aufgetaucht ist und die Leute reihenweise abgeknallt wurden – was glauben Sie, wer da den Finger am Abzug hatte? Und als Rafsandschani seine Probleme mit der Geheimpolizei hatte und ein paar Leute beseitigen lassen musste – wen hat er da wohl um Hilfe gebeten?»
    «Den Wahnsinnigen?»
    «Na, wen denn sonst? Er war der Mann, der alles in Ordnung brachte. Er war niemandem Rechenschaft schuldig, bis auf den Obersten Führer. Und jetzt schauen Sie sich das mal an.»
    Sie zog ein drittes Foto aus ihrem Ordner, das einen adretten kleinen Mann mit gepflegtem Vollbart vor einem Flugzeug zeigte. Hinter ihm im Schatten stand ein weiterer Mann mit Sonnenbrille und narbenübersätem Gesicht.
    «Das ist der Präsident, wie er gerade in Damaskus aus dem Flugzeug steigt. Eine ganz geheime Reise, die nie offiziell angekündigt wurde. Auch die Israelis haben das Bild gesehen. Die offizielle Reaktion des Mossad lautet, dass der zusammengeflickte Kerl mit der Sonnenbrille nur irgendein Handlanger sei, der mit dem Präsidenten unterwegs war. Aber meine Kumpels aus den unteren Etagen in Tel Aviv wussten es besser. Der Mann ist Al-Majnoun, der persönliche Vollstreckerdes Obersten Führers. Der Mann, den es eigentlich nicht gibt. Und unglücklicherweise auch der Mann, der Ihnen den Einsatz versaut hat.»
    «Sie sind wirklich eine total verrückte alte Schachtel.» Harry beugte sich über den Schreibtisch und gab Marcia einen Kuss.
    «Vielen Dank», sagte sie.
    «Nur in einem täuschen Sie sich. Ich glaube nicht, dass Al-Majnoun den Einsatz in Maschhad im Auftrag des Obersten Führers des Iran durchgeführt hat. Das hat er für jemand anders gemacht.»
     
    Ein letzter, quälender Teil des Puzzles blieb Harry noch zu lösen übrig, und den durchschaute er erst nach Mitternacht, als es ihn längst nach Hause zog. Dieses letzte Rätsel war die Identität des zweiten Mannes, der mit Al-Majnoun Rezas Haus betreten hatte und nicht mehr mit nach draußen gekommen war. Er schien der Komplize des Schützen zu sein – doch wer genau war er? Gehörte auch er einer geheimen Zelle an, die unter dem persönlichen Schutz des Obersten Führers stand? Oder vertrat er andere Teile des iranischen Geheimdienstuniversums?
    Die Antwort fand sich in den dringenden Nachrichten zweier freundschaftlich gesinnter Geheimdienste, denen das in Langley erwachte Verlangen nach jeglicher Art von Gerüchten über iranische Geheimdienstinformationen zu Ohren gekommen war.
    Der erste Bericht entstammte dem kleinen Spionagedienst von Aserbaidschan, der dank der großen Zahl aserbaidschanischerEinwanderer im Iran erstaunlich gut vernetzt war. Die Nachricht aus Baku besagte, dass einige ranghohe Mitglieder der Geheimdienstabteilung der Revolutionsgarden tags zuvor bei der Beisetzung eines Kollegen gesehen worden seien, eines gewissen Mehdi Esfahani, der dem Vernehmen nach ein angesehener Ermittler und für die Sicherheit einiger nichtoffizieller Einrichtungen des iranischen Nuklearprogramms zuständig gewesen sei. Im Anschluss habe es einen großen Empfang im Haus der Familie gegeben. Gerüchte besagten, dass Esfahani in Maschhad ums Leben gekommen sei: Sein von Kugeln durchsiebter Leichnam sei unter größter Geheimhaltung nach Teheran überführt worden. Der Familie hatte man erklärt, er sei den Heldentod gestorben und man würde ihr eine gesonderte Märtyrerrente zusprechen.
    Der zweite spätnächtliche Bericht kam vom französischen Geheimdienst. Auch die Franzosen unterhielten ein paar langjährige Kontakte zum geheimen Netzwerk des Iran. Der Geheimdienstchef, mit dem Harry seit seiner Zeit in Beirut vor vielen Jahren lose befreundet war,

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