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Der Einsatz

Der Einsatz

Titel: Der Einsatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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Jahren geleistet hatte, war es eigentlich erstaunlich, dass es in dem Land überhaupt noch jemanden gab, der der CIA Geheimnisse anvertrauen wollte. Und deshalb lautete die große Frage bei diesem Doktor Ali: War er tollkühn oder einfach nur dumm? Oder gehörte er vielleicht zu dieser besonders dubiosen Gattung von Spionen, die Gutes tun wollten?
    Harrys erste getürkte Nachricht war an Arthur Fox von der Proliferationsabwehr gerichtet und ging als Kopie an alle anderen auf seiner Verteilerliste. Darin fragte er, ob Fox ihm in Hinblick auf die mysteriöse Nachricht aus dem Iran einen Ratschlag geben könne. Kurz darauf schickte er über einen extra dafür eingerichteten Kanal eine fingierte Antwort der Proliferationsabwehr, die ebenfalls an die ganze Verteilerliste ging. Darin stand, die Spezialisten hätten sich das Dokument des Iraners genauer angesehen und festgestellt, dass viele der darin enthaltenen Daten mit den jederzeit im Internet zugänglichen Messwerten einer pakistanischen Anreicherungszentrifuge identisch seien. Die Nachricht ließ BQTANK alias Doktor Ali wie einen jener Kontakte aussehen, deren Informationen zunächst sehr vielversprechend wirkten, sich aber kurz darauf als heiße Luft entpuppten.
    Harry wartete ein paar Tage ab, bevor er die nächste fingierte Nachricht in Umlauf brachte. Diesmal war der Absender die I T-Abteilung , die mitteilte, dass sie sich die Server von Hotmail einmal genauer angesehen und herausgefunden habe, dass der «doktor.ali»-Account auf einem Computer erstellt worden sei, den das iranische Innenministerium erworben habe. Auch das war natürlich eine Lüge. In Wahrheit war es auch den Computerspezialisten nicht gelungen, den Ursprung der E-Mail herauszufinden. Doktor Ali war einfach zu clever für sie.
    Damit war die Legende perfekt. Allen außerhalb des kleinen, eingeweihten Kreises war nun klar, dass Doktor Ali ein Schwindler war – oder schlimmer noch: ein vom iranischen Geheimdienst gesteuerter Lockvogel. Harry Pappas gab noch eine offizielle Mitteilung heraus, in der stand, dass Doktor Ali «verbrannt» sei und sämtliche Mitarbeiter der CIA jeden weiteren Kontaktversuch seinerseits – egal ob auf elektronischem oder einem anderen Weg – unverzüglich an Harry Pappas persönlich zu melden hatten. Und damit war die Sache erledigt. Der iranische VÜ war Geschichte, zumindest was den offiziellen Schriftverkehr der CIA betraf.
    Harry holte noch einen weiteren Geheimdienst mit ins Boot, aber nur auf oberster Ebene. Über eine sichere Verbindung informierte er seinen Freund Adrian Winkler, den Stabschef des britischen Secret Intelligence Service, dass die CIA über ihre Website auf einen möglicherweise vielversprechenden Informanten gestoßen sei. Es sehe ganz danach aus, als hätte dieser Informant Einblick ins iranische Atomwaffenprogramm, allerdings bemühe sich die CIA derzeit noch darum, das zu überprüfen. Auch sei die Identitätdes Informanten noch nicht geklärt. Harry teilte Winkler das wenige mit, was er wusste, und fragte ihn, ob er damit vielleicht irgendetwas anfangen könne.
    Das tat er aus zwei Gründen: Erstens wollte er sichergehen, dass Doktor Ali nicht bereits für die Briten arbeitete, und zweitens hatte er eine leise Vorahnung, dass er in diesem Fall irgendwann einmal die Hilfe des SIS brauchen würde.
     
    Am Freitagabend ging Harry mit seiner Frau Andrea ins Kino. Sie wollten den «Blockbuster des Sommers» sehen, der sich aber ziemlich rasch als aufgeblasene und wenig originelle Comic-Adaption herausstellte. Sie sahen sich den Film zur Hälfte an, doch als eine weitere langatmige Actionsequenz begann, stieß Andrea Harry mit dem Ellbogen an.
    «Ich mag den Film nicht», sagte sie.
    «Ich auch nicht», flüsterte Harry zurück.
    «Dann lass uns doch gehen.»
    Sie standen auf und zwängten sich unter den Protesten anderer Zuschauer, die keine Sekunde des computergenerierten Unsinns verpassen wollten, an einer langen Reihe aus Knien und Füßen vorbei nach draußen.
    Danach aßen sie im
Legal Sea Foods
im Tysons Corner Center zu Abend. Harry war das Lokal eingefallen, weil ein paar Freunde von der CIA dort öfter zum Mittagessen hingingen. Andrea bestellte sich eine Piña Colada, was sie sonst nur im Urlaub tat, und Harry trank in rascher Folge zwei doppelte Whiskey. Nach einer Weile fühlten sie sich angenehm beschwipst, und zum ersten Mal seit mehreren Jahren schienen sie sich wieder gemeinsam entspannen zu können.
    Andrea stellte Harry eine

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