Der Einsatz
Inspektor?», fragte er schließlich.
«Wir könnten natürlich härtere Methoden bei ihm anwenden, falls Sie das wünschen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir dadurch mehr Informationen aus ihm herausbekommen würden, aber ich kann Ihnen nicht sagen, ob man ihnen trauen könnte.»
«Noch nicht», erwiderte Al-Majnoun mit rauer Stimme. «Die Zeit mag noch kommen, aber nicht jetzt. Lass sein Telefon überwachen, lass ihn verfolgen und beobachte ihn rund um die Uhr, selbst wenn er schläft. Schau in seine Träume. Sag mir, was für Musik er im Kopf hat.»
«Jawohl, Herr General.»
Mehdi Esfahani hatte keine Ahnung, was Al-Majnoun damit meinte. Er wartete geduldig auf eine weitere Erklärung, aber nach fünf Minuten war klar, dass der Libanese eingeschlafen war oder einfach nichts mehr sagen wollte. Mehdi erhob sich von seinem Stuhl, verbeugte sich und ging leise aus der Villa hinaus ins Tageslicht.
Ein Fahrer des Ettelaat-e Sepah brachte Karim Molavi zurück zu dem weißen Gebäude in Jamaran. Doktor Bazargan und die meisten seiner Kollegen waren noch da, doch sie gingen ihm aus dem Weg. Sie wussten, dass er von nun an beschattet wurde. Karim war glücklich, soweit das einem Mann, der den ganzen Tag vom Geheimdienst befragt worden ist, überhaupt möglich war. Wonach auch immer sie gesucht hatten, das, was er zu verbergen versuchte, war es nicht gewesen. Er ging zum Büro seines Freundes Abbas, der wie er in Physik promoviert hatte.
«Subh bekheyr»
, sagte Karim, als er den Kopf zur Tür hereinsteckte.Er versuchte zu lächeln und fragte Abbas, ob er mit ihm zu Abend essen wolle. Sie könnten sich Sushi vom Seryna-Restaurant am Vanak-Platz holen. Karim wusste, dass sein Freund Sushi mochte, und das Restaurant war sehr gut. Trotzdem lehnte Abbas ab und sagte, es tue ihm leid, aber er habe noch sehr viel zu tun. Dabei musterte er Karim, als hätte der eine ansteckende Krankheit.
Molavi ging zurück in sein Büro und widmete sich wieder den wissenschaftlichen Unterlagen, die er gelesen hatte, als Doktor Bazargan am Morgen hereingekommen war. Er würde seiner Arbeit nachgehen, als wäre nichts geschehen. Das war sein Schutz, das war die Fassade seiner Unschuld. Wenn sie wirklich etwas gegen ihn in der Hand gehabt hätten, dann wäre er jetzt im Evin-Gefängnis oder an einem noch schlimmeren Ort.
Er schloss die Augen und versuchte nachzudenken. Draußen konnte er hören, wie seine Kollegen auf dem Nachhauseweg an seinem Büro vorbeigingen. Eine der Sekretärinnen wünschte mit einem melodiösen
«Khoda hafez!»
einer Freundin eine gute Nacht. Sie alle befanden sich noch in einem Zustand der Unwissenheit, der für ihn nun beendet war.
Das Spiel, das man mit ihm spielte, war so durchschaubar. Man würde ihn eine Zeitlang beobachten und dabei seinen Zugang zu sensiblen Informationen Tag für Tag weiter einschränken. Man würde darauf warten, dass er sich selbst verriet, dass er mit irgendjemandem Kontakt aufnahm oder etwas Unbedachtes tat. Was wollten sie von ihm? Wie viel wussten sie? Sie sagten einem nichts, das war ja gerade das Perfide daran. Vielleicht geriet der ganze Betrieb – die Angestelltenvon Tohid und mehrerer Dutzend anderer Firmen in diesem geheimen Netzwerk – regelmäßig unter Verdacht. Vielleicht gehörte es zum Spiel dazu, jeden einmal ins grelle Lampenlicht zu zerren und zu sehen, wer dabei erschrak.
Molavi nahm ein Taxi und ließ sich in das Viertel um die Valiasr-Straße bringen. Er wollte unter Leute kommen. Erst sah er sich einen Film im Farhang-Kino an, dann ging er in ein kleines Café um die Ecke auf der Shariati-Straße und bestellte ein
Faludeh
mit einem Extraschuss Rosenwasser und Sirup. Er fragte sich, ob sie ihm bereits folgten. Er fing ein Gespräch mit einem jungen Mann in einer teuren Lederjacke an, der ein Nintendo-DS in der Hand hielt, aber es stellte sich heraus, dass dieser junge, privilegierte Mann sich ausschließlich für Videospiele interessierte. Zu Hause hatte er noch eine Xbox und eine Playstation, und er ratterte sämtliche Spiele herunter, die er als Raubkopien besaß, so, als wären sie Trophäen aus einer besseren Welt. Karim gab sich interessiert, nur um nicht allein zu sein, aber schließlich wurde es ihm doch zu langweilig, und er verabschiedete sich, sagte, er sei müde, zahlte und ging.
Er ging nach Hause in seine Wohnung in Jusef Abad und legte sich ins Bett, konnte aber nicht schlafen. Also nahm er den vergilbten Band von Firdausis Heldenepos
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