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Der Einsatz

Der Einsatz

Titel: Der Einsatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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mir. Es ist richtig, dass wir Probleme mit unseren Messgeräten haben. Aber ich kann Ihnen nicht sagen, warum, weil ich es nicht weiß.»
    «Das glaube ich Ihnen nicht, Herr Doktor. Ich habe das Gefühl, dass Sie mich anlügen, und ich irre mich selten. Aber wir werden sehen.»
     
    Der Inspektor hatte Daten aus den Labors bei Tohid sowie aus anderen Forschungseinrichtungen vorliegen und stellte Karim jede Menge technische Fragen dazu. Er wollte, dass der junge Wissenschaftler ihm erklärte, wie er bei seinen Werten die Daten gewann. Dann zeigte er ihm eine Liste mit den Messwerten eines Oszillographen, der bei Tohid stand, und bat ihn, diese Liste mit den Werten eines identischen Oszillographen zu vergleichen, der in einer Universität in England stand.
    «Sehen Sie da Unterschiede, Doktor Molavi?», fragte er.
    «Ja, natürlich. Aber die messen da ja andere Dinge, deshalb erhalten sie auch unterschiedliche Daten.»
    «Das meinte ich nicht, Doktor Molavi. Sehen Sie irgendwelche Unterschiede in der Genauigkeit der Messwerte? Das möchte ich gerne wissen.»
    Karim sah sich das Dokument genauer an und atmete erleichtert auf. Seine schlimmsten Befürchtungen waren zum Glück nicht eingetroffen. Er hatte geglaubt, dass er jetzt mit den Listen konfrontiert werden würde, die er an die Amerikaner weitergeleitet hatte, und dass sie ihn noch vor Einbruch der Dunkelheit in den Folterraum bringen würden.
    «Ich sehe da geringe Toleranzen in den Messwerten», sagte er nach einigem Nachdenken. «Aber ich kann Ihnen nicht sagen, ob das an der Versuchsanordnung oder an technischen Mängeln des Messinstruments liegt. Tut mir leid.»
    Der Vernehmungsoffizier gab ihm einen weiteren Satz Tabellen. Es waren teils Messergebnisse aus den Labors von Tohid, teils die Ergebnisse von Simulationen, bei denen diese Werte hochgerechnet worden waren, und es war sehr schwierig, echte Ergebnisse und Simulationen voneinander zu unterscheiden. Karim erklärte das lang und breit, und der Vernehmungsoffizier hörte zu und stellte weitere Fragen. So vergingen mehrere Stunden. Der Inspektor wollte ganz offensichtlich etwas Bestimmtes herausfinden, aber Karim kam nicht dahinter, was es war. Nur einmal, als er mit ihm die Daten einer Simulation des Zündmechanismus durchging, den Tohid entwickeln half, gab Mehdi Esfahani einen Hinweis darauf, worum es ihm ging.
    «Ist die Realität besser, als sie nach diesen Messwerten aussieht, oder schlechter?»
    «Wie meinen Sie das, Bruder Inspektor?»
    «Wenn ich das richtig verstehe, zeigen die Messwerte Ihres Versuchs, dass unser Zündmechanismus nicht funktionieren wird. Aber können wir diesen Messungen trauen? Oder sind sie eine Lüge, die uns an unserem Erfolg zweifeln lassen soll? Ich frage mich, wie wir das herausfinden können   …»
    Esfahani brach ab, und als Karim ihn noch einmal fragte, was er damit meine, antwortete er nicht.
     
    Molavi fragte, ob er etwas zu essen bekommen könne, doch der Inspektor verneinte. Glaubten sie etwa, dass er mit leerem Magen kooperativer sein würde, noch dazu auf einem unbequemen Stuhl hinter einer verschlossenen Tür? Esfahani führte die Befragung bis in den späten Nachmittag fort.
    «Darf ich Sie etwas fragen, Bruder Inspektor?», sagte Molavi schließlich, als er schon der völligen Erschöpfung nahe war. «Wonach suchen Sie eigentlich?»
    «Nach Lügen», antwortete der Vernehmungsbeamte.
    «Was denn für Lügen?», fragte Molavi.
    «Lügen, die wir nicht sehen können. Die heimlich, still und leise aus Maschinen und Messapparaten kommen. Die Lügen von Wissenschaftlern, die etwas vor uns verborgen halten. Stellen Sie sich vor, Sie stünden an einer Straßenkreuzung, Doktor Molavi. Die Wegweiser zeigen in unterschiedliche Richtungen. Esfahan liegt zweihundertachtzig Kilometer im Süden, Kermanshah vierhundert Kilometer im Westen. Aber wissen wir, wie genau die Entfernungsangaben auf diesen Wegweisern sind? Und zeigen sie auch in die richtige Richtung? Oder lügen sie uns an?»
    «Und warum befragen Sie mich dazu, Bruder Inspektor?»
    «Weil ich Ihnen nicht vertraue.»
    «Und warum nicht?»
    «Das kann ich Ihnen nicht sagen, mein lieber Doktor. Es genügt, wenn Sie wissen, dass Sie unter Verdacht stehen.»
    Molavi erschauerte. Er schüttelte den Kopf, um dem Vernehmungsbeamten zu zeigen, dass er sich irrte, und sah ihm direkt in die Augen.
    «Ich habe nichts Falsches getan», sagte er in aller Aufrichtigkeit.
    Aber der Vernehmungsbeamte schüttelte nur

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