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Der Einsatz

Der Einsatz

Titel: Der Einsatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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lag.
    «Karim?», fragte eine Stimme durch die halbgeöffnete Tür, die gleich darauf aufgestoßen wurde. Molavis Chef betratdas Büro. Doktor Bazargan trug einen weißen Kittel, wie ein Arzt oder ein Labortechniker, doch er konnte den Leuten, die für ihn arbeiteten, intellektuell nicht das Wasser reichen. Genau aus diesem Grund hatte man ihm seinen Job gegeben.
    «Möge Gott Ihnen Gesundheit bescheren, Herr Direktor», sagte Molavi.
    «Ihnen ebenfalls. Vielen Dank.» Bazargan stand ein wenig verlegen herum, so, als wäre er sich nicht sicher, ob er sich setzen sollte.
    Molavi stand auf und bot ihm seinen Stuhl an, aber der Direktor lehnte ab. Es war ganz offensichtlich kein normaler Höflichkeitsbesuch.
    «Man hat mir wieder Fragen über Sie gestellt, Karim. Ich dachte, das sollten Sie wissen.»
    Der junge Wissenschaftler schloss kurz die Augen.
    «Wonach haben sie denn gefragt?», erkundigte er sich dann so zuversichtlich, wie er nur konnte. «Wollen sie wissen, wie ich mit meiner Arbeit vorankomme? Haben sie Fragen zu meinen Forschungsergebnissen?»
    «Nein, Karim. Ich glaube nicht, dass diese Leute Wissenschaftler sind.»
    Molavi stand wie angewurzelt da. Er hatte auf einmal ein Rauschen im Ohr.
    «Was denn dann?»
    «Sie waren vom Ettelaat, glaube ich. So wie die Männer, die schon einmal hier waren.»
    Molavi verstand. Der Ettelaat-e Sepah. Der Geheimdienst der Revolutionsgarden.
    «Und sie haben Ihnen wieder Fragen gestellt?»
    «Ja. Sie wollten Dinge wissen, die ich ihnen nicht beantworten konnte. Ich habe ihnen gesagt, sie sollten mit Ihnen selber sprechen.»
    «Die Herren sind mir jederzeit willkommen. Mein einziger Wunsch ist es, der Revolution zu dienen und den Lehren des Imam zu folgen.»
    «Ich glaube, sie werden Ihnen ziemlich bald einen Besuch abstatten.»
    «Wie bald?»
    «Nun, Karim, ehrlich gesagt sind sie schon hier. Sie haben mir aufgetragen, Sie zu holen. Es tut mir leid.»
    Dieses Affentheater war typisch für Doktor Bazargan. Er konnte die Dinge nicht beim Namen nennen und redete immer um den heißen Brei herum. Jetzt zitterte er fast und schien mehr Angst zu haben als Karim Molavi selbst. Offenbar befürchtete er, etwas Schlimmes könnte seine privilegierte Welt hier im Bezirk von Jamaran ins Wanken bringen. Doktor Bazargan konnte sich nicht verstellen. Er war kein guter Lügner und hatte nie gelernt, seine Angst zu verbergen.
    «Die Herren sind mir jederzeit willkommen», wiederholte Molavi, während er seine Jacke vom Kleiderbügel nahm und Doktor Bazargan nach draußen folgte.
     
    Diesmal verbanden sie ihm die Augen, allerdings bloß, um ihn einzuschüchtern, denn als sie ihm die Binde wieder abnahmen, fand er sich auf demselben Gelände in der Nähe des Flughafens wieder, auf das sie ihn schon beim letzten Mal gebracht hatten. Dieses Mal führten sie ihn aber nicht in den modernen Flügel, der aussah wie ein Ausstellungsraum vonIKEA, sondern in ein älteres Gebäude, dessen Räume sehr viel düsterer wirkten. An den Wänden hingen große Bilder von Märtyrern der Revolution und handgemalte Parolen, die vor dem Verrat der
monafequin
, der Heuchler, warnten.
     
    In einem dieser Räume wartete Mehdi Esfahani auf den jungen Wissenschaftler und zupfte an seinem kleinen Ziegenbart. Als Karim hereingeführt wurde, gab er ihm die Hand und sah ihn dann mit eiskalten, drohenden Blicken an.
    «So schnell trifft man sich wieder», sagte der Inspektor. «Diesmal werde ich Ihnen keine Witze erzählen. Es tut mir leid für Sie, aber heute gibt es nichts zu lachen. Überhaupt nichts. Sie haben mich enttäuscht.»
    «Es muss sich um einen Irrtum handeln, Bruder Inspektor. Ich habe nichts Falsches getan.»
    «Wissen Sie, warum ich Sie habe holen lassen?», fragte der Vernehmungsbeamte.
    «Nein», antwortete Molavi. Bei dem Ausdruck «holen lassen» zuckte er innerlich zusammen. Das hörte sich fast schon wie «verhaften» an. Er überlegte sich, ob er sich beschweren sollte, weil man ihn ohne Grund bei seiner Arbeit gestört hatte, aber er hielt lieber den Mund. Jede Art von Übertreibung würde ihn nur noch schuldiger aussehen lassen.
    «Natürlich wissen Sie das», sagte der Inspektor.
    Karim sagte nichts. Er kannte diese Einladung zur Selbstbezichtigung schon vom letzten Mal.
    «Die Arbeit auf Ihrer Dienststelle läuft nicht so, wie sie sollte, und wir wollen wissen, warum. Einige Ihrer Kollegen glauben, dass Sie der Grund dafür sind.»
    «Es ist nicht meine Schuld, Bruder Inspektor, glauben Sie

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