Der Einsatz
Heathrow ab. Harry hatte ihm über seinen privaten Mail-Account eine Nonsens-Nachricht geschickt: «Dann werden wir mal inkrementell.» Darunter stand seine Ankunftszeit in London. Auf dem langenFlug schlief er tief und fest; es war das erste Mal seit langem, dass er eine ganze Nacht durchschlief. Adrian stand in der Ankunftshalle am Terminal 3 und hielt ein Schild mit der Aufschrift «Mr. Fellows» hoch. Harry musste erst darüber lachen, doch dann wurde ihm klar, dass es keineswegs als Witz gemeint war. Fellows war sein neuer Deckname. Er war jetzt Adrians Agent.
Adrian war mit dem Wagen da: ein Rover neueren Baujahrs, nichts Auffälliges. Er selbst war lässig in Jeans und einen alten Pullover gekleidet. Auf der M-4 Richtung London war an diesem Sonntagmorgen nur wenig Verkehr. Adrian erkundigte sich, ob Harry sich nach dem langen Flug erst mal ausschlafen wolle, doch Harry erklärte, dafür bleibe keine Zeit, er müsse in achtundvierzig Stunden schon wieder in Washington sein. Adrian brachte ihn in ein schlichtes Hotel nahe der Hammersmith-Überführung und wartete im Wagen, bis Harry eingecheckt und sich umgezogen hatte. Als er wieder nach draußen kam, trug auch er Jeans und eine schwarze Lederjacke. Die beiden Männer wirkten wie zwei professionelle Zocker auf dem Weg zur Arbeit: nicht direkt zwielichtig, aber auch nicht hundertprozentig koscher.
Der Rover tuckerte in einen Vorort namens Neasden, in der Nähe der North Circular Road. Eine anonymere Gegend war in London schwer zu finden. In den Sozialwohnungen, die viele Generationen zuvor für die damalige Arbeiterschicht gebaut worden waren, lebten inzwischen überwiegend Einwanderer aus Indien und Pakistan. Adrian kurvte durch die Straßen, bis er an eine Wohnsiedlung mit dem Namen Dollis Hill Housing Estate kam. Dort hielt er vor einer offenen Garage, in der ein Pakistani an einem schweren Motorrad mitchromglänzenden Auspuffen herumschraubte. Ein Ghettoblaster beschallte den Raum mit Bhangra-Musik.
Adrian stellte den Motor ab und stieg aus dem Wagen. «Hakim», rief er.
Der Pakistani trat aus dem Dunkel seiner Garagenwerkstatt und winkte ihm zu. Er drehte die Musik leiser, doch der leicht exotische Rhythmus war immer noch zu hören. Die Haut des Mannes war dunkelbraun wie Tabak. Er trug einen Blaumann, der aber trotzdem erkennen ließ, wie durchtrainiert er war: schwerer Nacken, breite Schultern.
Adrian streckte ihm die Hand hin, und die beiden Männer schlugen erst die Handflächen, dann die Fäuste aneinander.
«Was läuft, Mann?», fragte der Pakistani.
«Ich möchte dir jemanden vorstellen, Hakim.» Adrian deutete auf Harry. «Das ist mein Freund Bill Fellows. Wir arbeiten zusammen an dem kleinen Projekt, von dem ich dir erzählt habe.»
Der Pakistani verbeugte sich vor Harry.
Harry musterte den kräftigen, kleinen Mann. Obwohl er fast einen Kopf größer war als der Pakistani, zweifelte er doch ernsthaft daran, ob er ihm im Zweikampf gewachsen wäre.
«Was macht die Maschine?», erkundigte sich Adrian.
«Heißes Teil, Mann», sagte Hakim. «Neulich hat sie zweihundertzwanzig geschafft.»
«Aber hoffentlich nicht auf offener Straße.»
«Natürlich nicht. Draußen in Credenhill. Hab ’ne kleine Show hingelegt für die Jungs aus Hereford.»
«Hakim ist früher Motorradrennen gefahren», erklärte Adrian. «Er hat schon so einiges gemacht in seinem Leben.Das ist Teil seiner Tarnung, stimmt’s?» Er boxte Hakim spielerisch auf den eindrucksvollen Bizeps, und der Pakistani duckte sich, ging in Verteidigungsstellung und tänzelte ein bisschen hin und her.
«Geboxt haben Sie also auch?», fragte Harry.
«Mach ich immer noch», sagte Hakim. «Aber natürlich nur bei den Amateuren, Mann.
Profi boxer
bin ich nicht.» Er lachte, denn schließlich wussten sie ja alle, dass er in Wahrheit ein Profikiller war. Adrian nahm ihn am Arm und zog ihn dicht zu sich heran.
«Pass auf, mein Junge, es läuft folgendermaßen. Wir treffen uns morgen mit Mr. Fellows und dem ganzen Team. Selber Treffpunkt wie letztes Mal, in Brixton. Das wirst du ja wohl noch wissen?»
«Wie könnte ich das vergessen? Echt Scheiße, wie die Sache gelaufen ist.»
«Das war reines Pech», sagte Adrian. «Wir konnten nichts dafür.»
Hakim zwinkerte dem SI S-Mann zu.
«So weit erst mal alles im grünen Bereich?», fragte Adrian.
«Die reinste Parklandschaft, Sir. Aber ihr müsst euch unbedingt noch meine Motorradshow ansehen. Dein Freund hier soll doch nicht umsonst
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