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Der Einzelgänger

Der Einzelgänger

Titel: Der Einzelgänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nigel Findley
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ich ihn angerufen habe. Als ich fertig bin, nickt er zögernd. »Interessant«, sinniert der Runner leise. »Ich habe von dieser Super-Seuche gehört. Du kannst dir die wüsten Gerüchte auf der Straße sicher vorstellen. Aber es war immer nur vom »Freund eines Freundes von einem Bekannten‹ die Rede. Niemand, den ich kenne, hat sich angesteckt oder kennt persönlich jemanden, der die Seuche hat. Ich hielt das alles für die diesjährige Ausgabe einer Grippeepidemie und eine Menge Hysterie.« Er wirft einen Blick auf die Tür. »Vielleicht ist es an der Zeit, diese Einschätzung zu revidieren.«
    »Was du nicht sagst«, knurre ich. Jetzt, wo Argent hier ist, weiß ich nicht mehr, warum ich ihn überhaupt angerufen habe. Es schien mir eine gute Idee zu sein, aber jetzt? Will ich hier mit dem Shadowrunner eingesperrt sein, wenn er mir lediglich beim Warten helfen kann?
    Wie als himmlische Antwort auf meine Zweifel öffnet sich die Tür zum OP oder was auch immer, und Doc Dicer tritt heraus. Sie ist völlig erledigt - das sehe ich ihrem Gesicht und ihrer Körperhaltung an -, aber sie ist auch besorgt. Kein gutes Zeichen.
    »Wie geht es ihm?« frage ich.
    Sie antwortet nicht sofort, sondern wendet sich an Argent, der bereits aufgestanden ist. Ein breites Lächeln überzieht ihr Gesicht, und plötzlich sieht sie zehn Jahre jünger aus. Sie umarmen sich, wobei die zierliche Frau in der Umarmung des stämmigen Runners geradezu zwergenhaft wirkt. Seine mattschwarzen Cyberarme halten sie sanft, beinahe zärtlich. Nach einem Augenblick trennen sie sich wieder.
    »Ist lange her«, sagt Doc Dicer.
    Argent schüttelt langsam den Kopf, während er sich umsieht. »Eine ziemliche Veränderung.«
    Sie zuckt die Achseln. »Hier kann ich etwas bewegen«, sagt sie, »und diese Veränderung lohnt sich.« Sie hebt eine Augenbraue, als sie anzüglich auf seine Arme blickt. »Du hast dich auch verändert.«
    »Könnten wir die Wiedersehensfeier vielleicht noch etwas verschieben?« werfe ich trocken ein. Beide starren mich plötzlich kalt an, aber ich halte ihrem Blick stand. »Wie geht es Ihrem Patienten, Doc?«
    »Er stirbt vielleicht«, antwortet sie. »Jedesmal, wenn ich denke, ich hätte ihn stabilisiert, macht dieses Retrovirus eine grelle Antigen-Verwandlung durch, und dann geht es wieder abwärts mit ihm.« Sie hält inne, und ihre harte Miene wird ein wenig weicher. »Ein Freund?«
    »Ja«, sage ich, und das ist die Wahrheit. »Ja, ein Freund.« Mir kommt ein anderer Gedanke. »Wäre er in einem richtigen Krankenhaus besser aufgehoben?«
    »Vielleicht, aber das ist keineswegs sicher«, erwidert sie. »Es könnte auch nur ein besser eingerichteter Platz zum Sterben für ihn sein.«
    Ich nicke. »Kann ich mit ihm reden?«
    Sie will nein sagen, das kann ich in ihren Augen erkennen. Doch nach ein oder zwei Sekunden nickt sie. »Zwei Minuten«, sagt sie schneidend, indem sie Argent einen Blick zuwirft, als wolle sie den Runner auffordern, dafür zu sorgen, daß ich nicht aus der Reihe tanze.
    »Zwei Minuten«, sage ich, und Doc Dicer öffnet die Tür.
    Paco sieht klein in dem Bett aus, das von HiTech-Mo-nitoren und anderem Drek umgeben ist. An Kopf und Handgelenken sind Drähte und Sensoren und ein Haufen anderer Müll befestigt, der auch unter der Decke verschwindet, wo er offenbar mit seiner Brust verbunden ist. Er sieht wie ein kleiner Junge aus. Die Ringe unter seinen Augen sind dunkler und noch betonter, und seine Lippen sehen immer noch schlimm aus, aber zumindest rinnt ihm nichts mehr von diesem gelben Drek aus der Nase, und sein Atem klingt fast frei. Die Augen sind jedoch tief eingesunken und die Wangen eingefallen, und es kommt mir so vor, als sei er in den letzten drei Stunden dünner geworden. Mir ist plötzlich kalt.
    »Ist er ansteckend?« frage ich.
    Doc Dicer lächelt humorlos. »Wird auch Zeit, daß Sie diese Frage stellen«, sagt sie. »Er ist von einer Laminar-Luftstrom-Isolation umgeben, die alle Erreger dort hält, wo sie gerade sind. Ohne das?« Sie zuckt die Achseln. »Ich weiß es nicht, aber in« - sie sieht auf die Uhr -»genau zwei Minuten bin ich schlauer.«
    Ich trete näher ans Bett - nicht zu nahe, ich weiß nicht, wie weit sich dieser Laminar-Drek nach außen erstreckt. »Paco.« Dann noch einmal lauter. »Paco.«
    Seine Augenlider flattern, dann öffnen sie sich. Die Augen richten sich diesmal sofort auf mein Gesicht, und ich hätte gesagt, das deute auf eine Verbesserung seines Zustands hin, wären da

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