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Der Einzelgänger

Der Einzelgänger

Titel: Der Einzelgänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nigel Findley
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du nicht mal eine?« knurre ich. Ein paar Söldner um uns wenden sich uns zu, ihre verspiegelten Visiere reflektieren verzerrte Bilder von mir und dem Runner. Aber das ist mir egal. »Was ist mit deinen verdammten Armen passiert, Argent?«
    Die Worte sind heraus, bevor ich auch nur ansatzweise über ihre mögliche Wirkung auf den Runner nachdenke. Ich vermute, ein Teil von mir ist auf Streit aus, aber was für eine Art von Streit suche ich eigentlich? Ein Sturmgewehr ist keinen feuchten Drek im Nahkampf wert, und obwohl der Escrima-Chip geladen ist, könnten mir die Cyberarme, wegen der ich Ihm zusetze, die Kehle herausreißen, bevor ich reagieren könnte.
    Doch seine Miene bleibt immer noch unverändert. »Freiwilliger Austausch«, sagt er gelassen.
    Sie können Ihren Arsch darauf verwetten, daß mich das aus der Fassung bringt, Priyatel, und zwar gewaltig. Freiwilliger Austausch? Ich hatte immer gedacht, seine Arme seien ihm zerschossen oder abgehackt oder weggesprengt worden. Als Lyrtne Telestrian Argents Wüstenkriegshintergrund erwähnte, war ich davon überzeugt, er sei irgendwann einer explodierenden Granate zu nah gekommen oder irgendwas in der Art.
    Aber freiwilliger Austausch? Chummer, das heißt, in eine Cyberklinik zu schlendern und dem Doc zu sagen: »Nimm mir mal eben die Arme ab und ersetze sie durch Maschinen.« Wie, zum Teufel, kann das jemand auch nur in Erwägung ziehen? (Ja, ja, okay, ich habe selbst ein paar Cybermodifikationen in Gestalt von Talentbuchsen und der dazugehörigen Elektronik. Aber das sind Verstärkungen, Priyatel, Ergänzungen des Fleisches, als pflanze man einen Turbolader auf den Motor seines Motorrads. Ein großer Unterschied zu dem, was Argent getan hat.)
    Wenn er mich zum Schweigen bringen wollte, hätte er sich keine bessere Methode ausdenken können. Er sagt auch nichts mehr, und ich glaube nicht, daß ich jetzt reden könnte, selbst wenn ich es versuchte. Dann fährt er gelassen und ein wenig nachdenklich fort: »Ich kannte mal jemanden, der ein Undercover-Infiltrations-agent war. Niemand kannte seinen richtigen Namen -manchmal frage ich mich, ob er ihn kannte -, aber wir nannten ihn damals Steel. Er war gut, Chummer, er war echt gut. Aber...«
    Er hält kurz inne. »Aber es dauerte gar nicht lange, bis mir klar wurde, warum er gut war«, fährt er mit ein wenig leiserer Stimme fort. »Aus demselben Grund, warum er sich überhaupt darauf eingelassen hat, vermute ich. Steel war der absolute Einzelgänger. Hatte nie Freunde, weil er nie welche wollte, weil er niemanden an sich ranlassen konnte. Er war immer auf der Hut, so daß ihm nie jemand richtig nah kam.« Der Runner kichert trocken. »Er hatte einen Haufen Bekannte. Versteh mich nicht falsch, er war kein Einsiedler oder so. Novaheiß bei den Frauen. Dutzende von Leuten betrachteten Steel als Freund und glaubten, er empfinde dasselbe. Aber das tat er nicht. Sie waren einfach nur da, sie bedeuteten ihm nichts, obwohl er sich immer richtig verhielt, um sie in dem Glauben zu belassen, er mache sich was aus ihnen.«
    Argent zuckt die Achseln. »Ich weiß nicht, warum er so war. Ja, klar, ich könnte raten - das ganze oberflächliche Psychogeschwätz über Familienhintergrund und den ganzen Drek -, aber es spielt im Grunde keine Rolle. Er war ein... ein soziales Chamäleon, besser kann ich es nicht formulieren. Laß ihn auf eine Gruppe los - irgendeine Gruppe -, und binnen einer Stunde hat er die am besten aussehende Frau im Sack und alle anderen glauben, er sei ihr bester Chummer überhaupt, würde sie achten und schätzen. Und das alles, ohne daß ihm auch nur an einem einzigen das geringste liegt. Und ich war immer der Ansicht, das sei der Grund, warum er Undercover-Agent geworden ist«, schließt der Runner. »So war er eben, und der Job als Undercover-Agent war der einzige auf der ganzen Welt, der ihn für diese Art von Verhalten tatsächlich belohnte.« Er richtet seinen leicht silbrigen Blick auf mich. »Neh?«
    Meine Eingeweide verkrampfen sich - es muß die Wut sein, was sonst? »Willst du damit sagen, ich bin genauso?« will ich wissen.
    Er zuckt kaum merklich die Achseln. »Wie vielen Leuten vertraust du, Wolf?« fragt er. »Bei wie vielen kannst du dich überwinden, ihnen zu vertrauen?«
    »Keinem«, kontere ich. »Genau wie ein Shadowrun-ner.«
    »Falsch.« Argents Stimme ist fest, aber es liegt nicht mal eine Spur von Verärgerung darin. »Ich kann meinen Chummers trauen. Wie Peg und Jean und Sly und Dirk.«

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