Der Einzelgänger
scheint ihn das mittlerweile nicht mehr zu stören. Verstehen Sie mich nicht falsch, Ranger würde niemals zugeben, daß ich ihm beim Kriegsrat kräftig in den Arsch getreten habe. Aber diese Sorte Drek macht in einer Gang schneller die Runde als Klatsch in einem Bridgeclub für Rentner.
Außerdem dürfte sich herumgesprochen haben, daß ich im Moment Boss Blakes blondhaariger Goldjunge bin, und das schützt mich - wahrscheinlich - vor Schikanen und direkten Vergeltungsaktionen. Das heißt, sofern sie sich nicht als etwas anderes tarnen lassen.
Also fauche ich Bart an: »Was, zum Henker, willst du hier?« Meine H&K ist gerade beim fröhlichen Händeschütteln mit der Talentsoft in meinem Schädel. Die Tech beruhigt mich ungemein, indem sie mich darüber aufklärt, wie schnell ich die Kanone anlegen und abdrücken kann, wenn ich muß, und eine Schätzung darüber abliefert, wieviel von Bart in die Polster meines Sessels gepustet würde.
Bart lächelt, und ich kann mir lebhaft die Woge von Mundgeruch vorstellen, die sich mir jetzt durch den Raum langsam entgegenwälzt. »Kriegsrat«, sagt er -oder jedenfalls glaube ich, daß er das sagt.
»Ach ja?« frage ich. »Was willst du dann hier, Priya-tel?« Das ist das russische Wort für ›Freund‹, aber ich weiß, daß mein Tonfall dem Wort eine ganz andere Bedeutung verleiht. »Noch nie was von 'nem verdammten Telefon gehört?«
Er zuckt die Achseln, und seine Hängebacken schwabbeln. Darwin's Bastards grölen irgendwas darüber, ein Stein zu sein und sich nicht rumschubsen zu lassen, und die Begleitung klingt, als würde ein Wagen von einer Autokanone zusammengeschossen. Meine Elektronik setzt mich davon in Kenntnis, jawohl, ich könnte ihm den ChipMan vom Gürtel schießen - wahrscheinlich - ohne mehr zu tun, als das Fett, das er Taille nennt, ein wenig anzukratzen. Verlockende Idee, aber vielleicht spare ich es mir doch lieber für einen späteren Zeitpunkt auf. »Ranger wollte, daß ich die Einladung persönlich überbringe«, sagt er. Er sieht auf die Uhr an einem seiner Wurstfinger. »Du wirst zu spät kommen.« Und dann grinst er, als sei das sowieso der Sinn und Zweck dieser ganzen Übung.
»Was sitzt du dann noch auf dem Arsch?« will ich von ihm wissen. »Laß uns gehen.«
6
Wir fahren die paar Blocks vom Wenonah zum Unterschlupf der Cutters am Friedhof. Barts Hobel -eine Gaz-Niki White Eagle Jahrgang '52 - ist fast zehn Jahre jünger als meine Harley Scorpion, aber sein Besitzer pflegt sie offenbar nicht besser als sich selbst. Der aufgedunsene Ork fährt hinter mir her, wobei sich das scheppernde Dröhnen des schlecht eingestellten Motors der Eagle perfekt in den Schlagzeug-Fart von DBs ›Bloody Day Coming‹ einpaßt. Wir parken die Motorräder am Hintereingang und betreten das Haus.
Der ›Kriegsrat‹ findet im Keller statt, und er hat bereits begonnen, als wir eintreffen. Etwa ein Dutzend Soldaten hat sich versammelt - wie Paco sind alle jung und zäh. Mit den meisten von ihnen habe ich schon gearbeitet, und mit den meisten komme ich ganz gut aus. Als sich ein paar Fäuste zum Gruß erheben, reagiere ich darauf mit einem coolen Grinsen. Ranger - der überraschenderweise nicht die Einweisung macht - sitzt ganz vorne, und der Blick, den er mir zuwirft, könnte Farbe abblättern lassen. Alle Stühle sind besetzt, also lehne ich mich gegen die Rückwand des Raumes. Bart folgt mir und, Wunder über Wunder, schaltet die Geräusch-untermalung aus.
Eine zähe kleine Schnalle namens Kirsten macht die Einweisung. Sie benutzt dazu einen tragbaren Projektor mit angeschlossenem Subnotebook, der den Bildschirm auf die gegenüberliegende Wand wirft. Im Augenblick zeigt er eine Karte des Hyundai-Piers, einen Abschnitt der Docks in der Umgebung von Pier 42, wo im letzten November dieses irre Feuergefecht stattgefunden hat, an dem mehrere Konzerne beteiligt waren. Der Faden-kreuz-Cursor ruht auf einem der ›provisorischen‹ Lagerhäuser gegenüber den Piers auf der anderen Seite des Marginal Way direkt unter dem Alaskan Way-Viadukt. (Sie waren ›provisorisch‹, als die Stadt sie baute, um eine vorübergehende Kapazitätslücke zu füllen, so etwa im Jahre 2034, aber die Stadt hat sie nie durch bessere Gebäude ersetzt.) Ich kenne die Gegend, über die sie sich ausläßt. Sie liegt direkt im Schatten des Kingdome, einem Depot und manchmal auch Treffpunkt der Triade, die sich Eighty-Eights nennt.
Kirsten faselt über Kräfteverteilung, Primär- und
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