Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Einzelgänger

Der Einzelgänger

Titel: Der Einzelgänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nigel Findley
Vom Netzwerk:
Blechfässern auf den leeren Plätzen zwischen den Ruinen eingestürzter Häuser brennen sehen, aber dafür sieht man die Bretterbuden und behelfsmäßigen Baracken auf Flächen, die einmal gepflegter Rasen waren. Ein Gefühl der Verzweiflung hängt in der Luft wie ein übler Geruch. Nicht der schwelende, leicht entflammbare Zorn, den man in einem von Orks dominierten Slum spüren kann, sondern eine Art matte Resignation. Die Atmosphäre macht mich traurig.
    Nach zehn oder fünfzehn Minuten des Herumlaufens durch den kalten grauen Nieselregen finde ich die öffentliche Telefonzelle, nach der ich suche. Die Angeln sind zu eingerostet, um die Tür noch schließen zu können, aber wenigstens schützt mich die Zelle vor dem Regen. Ich hocke mich auf den Metallrahmen und wähle Cats LTG-Nummer.
    Drek, ich hätte wissen müssen, daß es mich mitnehmen würde, Cat auf ihrem Anrufbeantworter zu sehen. Aber ich habe nicht daran gedacht. Als ihr Gesicht auf dem Bildschirm Gestalt annimmt - große Augen, kupferfarbenes Haar, sinnliche Lippen -, fühle ich mich, als hätte mir jemand ein eiskaltes Stilett in die Rippen gebohrt. Meine Augen brennen, mein Blickfeld verschwimmt, und ich muß mich anstrengen, um Luft in die Lungen zu bekommen. Ein paar Augenblicke glaube ich, es nicht ertragen zu können. Ich will nur aufspringen und wegrennen. Doch dann packt mich wieder die Wut und krampft und windet sich in meinem Bauch. Jemand wird dafür büßen, o ja, jemand wird dafür büßen - und dann weiß ich, daß ich es ertragen kann. Meine Gefühle verblassen, und ich fühle mich kalt und hart und kaum noch menschlich, als Cats Botschaft endet. Mit Fingern, die sich nicht wie meine anfühlen, tippe ich den Zugangscode zur Datei Besondere Gefälligkeiten ein. Meine Hände zittern so sehr, daß ich das Mayflower-Paßwort kaum eingeben kann, aber irgendwie schaffe ich es.
    Cats kleine Smartframes oder wie, zum Teufel, sie die Dinger genannt hat, waren emsige kleine Wühler. Aus den fünf Namen - Crystalite, Griffin und die übrigen -sind Kapitelüberschriften geworden, zu denen Textabschnitte und Blöcke numerischer Daten gehören. Anstatt nach einer Liste sieht die Datei jetzt wie ein Geschäftsbericht aus. Ich überfliege die Datei rasch, aber das einzige, was mir auffällt, ist die Tatsache, daß ein Eintrag - der für Telestrian Industries Corporation -viel größer als der der anderen ist, zwei- oder dreimal so groß. Unter Benutzung der Tastatur des Telefons markiere ich diesen Abschnitt der Datei und merke ihn mir damit als Gegenstand zukünftiger Aufmerksamkeit vor.
    Dann schiebe ich einen leeren Datenchip in den Datenschlitz des Telefons und gebe den Befehl ein, die Datei zu kopieren. Ein oder zwei Sekunden später summt das Gerät, und ich entnehme den Chip, unterbreche die Verbindung und marschiere wieder hinaus in den Regen.
    Einen Moment lang erwäge ich, mir einen guten Beobachtungsposten zu suchen, mich dort zu verkriechen und das Telefon zu beobachten. Vielleicht erfahre ich etwas Wichtiges. Schließlich muß IrrelKonzern, oder wer sonst für den Anschlag verantwortlich ist, wissen, daß ich überlebt habe. Wenn ich sie wäre, glaube ich nicht, daß ich vergessen würde, Cats Telekom mit einem Spürer zu versehen. (Aber in diesem Fall hätte ich vermutlich alle Dateien darauf gelöscht, falls das aus der Ferne möglich ist. Wiederum habe ich das Gefühl, als würde ich etwas übersehen.)
    Andererseits weiß ich so wenig darüber, was eigentlich los ist, daß es mir wahrscheinlich nicht viel nützen würde, ein Team zu entdecken, das auf meinen Anruf reagiert - indem es zum Beispiel an der Zelle vorbeifährt. Mehr Hintergrundinformationen, das ist es, was ich brauche. Ich mache mich auf den Rückweg zur Verheißung.

15
    In einer Flohkiste wie der Verheißung abzusteigen, hat einige Vorteile. Zum Beispiel braucht man sich keine Sorgen zu machen, daß der Zimmerservice hereinschneit und einen beim Nachdenken stört.
    Ich sitze in einem unbequemen Halblotus auf dem Bett, einen brandneuen, brandheißen Taschensekretär auf dem Schoß. (›Brandheiß‹ bezieht sich dabei auf seine Herkunft und ganz gewiß nicht auf seine Leistung.) Meine Headware ist nicht dafür konzipiert, über eine Textdatei wie dem Drek zu brüten, den ich von Cats Telekom kopiert habe, und meinen kleinen Palmtop scheine ich irgendwo unterwegs verlegt zu haben. Ziemlich gedankenlos. Ich sollte auf meine Spielzeuge echt besser aufpassen. Jedenfalls

Weitere Kostenlose Bücher