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Der einzige Ausweg: Ein Barcelona-Krimi (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Der einzige Ausweg: Ein Barcelona-Krimi (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Der einzige Ausweg: Ein Barcelona-Krimi (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonio Hill
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herauszufinden, auch wenn ich zugeben muss, dass ich kaum etwas erreicht habe. Meine einzige Spur seit ein paar Tagen bist du gewesen.« Er lächelte. »Ich gestehe, ich bin dir nachgeschlichen, als ich sah, dass du dich auch für sie interessierst.«
    »Aber …«
    »Ich habe kein Geld mehr und auch keine Zeit. Ich dachte, ich könnte etwas herausfinden. Ich habe mich sogar gefragt, ob Ruths Verschwinden etwas mit ihrer Geburt zu tun haben könnte, so unwahrscheinlich es klingt. Und ich wollte auch den Exmann von Ruth Valldaura ansprechen, aber als ich von seiner ›Neigung zur Gewalt‹ erfuhr, habe ich Abstand genommen.«
    Jetzt musste auch sie lächeln. Armer Héctor, manche Strafen, und seien es Gerüchte, verfolgen die Beschuldigten ein Leben lang.
    »Ich bin nicht aus Barcelona«, fuhr Andrés Moreno fort, »und ich kann nicht länger hierbleiben. Ich muss die Miete bezahlen und habe nichts zu veröffentlichen. Außerdem …«
    »Ja?«
    »Um ehrlich zu sein, ich weiß nicht, ob ich damit weitermachen will. Es ist eine schmutzige Geschichte, von einer Grausamkeit, dass es für mich manchmal unerträglich ist. Ich heirate bald, im Frühjahr, ich möchte eine Familie gründen …«
    Andrés Moreno wurde rot. Der Satz hing in der Luft, doch Leire verstand genau, was er sagen wollte.
    »Tu mir einen Gefallen«, sagte sie.
    »Möchtest du die Dokumente haben? Ich habe dir eine Kopie mitgebracht. Mach damit, was du für richtig hältst, aber sei vorsichtig. Vielleicht kommt die Sache eines Tages vor Gericht, auch wenn die bürokratischen Hürden hoch sind und es viele Leute gibt, die möchten, dass es so bleibt. Viele von denen, die ihre Hände im Spiel hatten, sind tot oder im Ruhestand, und viele der Babys sind jetzt Erwachsene und kennen die Wahrheit nicht. Aber natürlich gibt es auch andere, die Gerechtigkeit fordern und sich auf einen Kampf gegen das Vergessen eingelassen haben. Nur fürchte ich, dass die Zeit ihnen den Mut nimmt, sie zum Schweigen bringt, dafür sorgt, dass sie verschwinden …«
    So wie Ruth, dachte Leire. Und die Erschöpfung wich einer Empörung, die jedes Schwindelgefühl überwand. So wie Ruth.
    Montserrat Martorell öffnete ihr die Tür noch am selben Tag, kurz vor zwölf. Leire war gleich zu ihr hingefahren, und diesmal beeindruckte die hochmütige Miene von Ruths Mutter sie nur wenig.
    »Sie schon wieder, Fräulein Castro?«
    »Ja.« Ihr war nicht nach Vorreden zumute, sie hielt der Frau das fotokopierte Dokument einfach unter die Nase. »Ich glaube, wir sollten miteinander sprechen.«
    Frau Martorell führte sie in denselben kleinen Salon, in dem sie sie beim ersten Mal empfangen hatte, machte sichaber nicht die Mühe, so zu tun, als wäre sie willkommen. Allerdings musste sie gesehen haben, wie erschöpft sie war, oder wie aufgebracht, denn sie bat sie, Platz zu nehmen.
    »Erklären Sie mir das«, sagte Leire, als sie saß. Und dann: »Bitte.«
    Ruths Mutter setzte sich eine kleine Brille auf, die sie an einem Kettchen um den Hals trug, und warf einen Blick auf das Blatt Papier. Dann nahm sie die Brille ab und schaute diese unerwartete Besucherin fest an. Wieder fielen Leire ihre grauen Augen auf, die so eindringlich waren, trotz ihres Alters.
    »Ich weiß nicht, was ich Ihnen erklären soll. Mein Mann hat dem Heim vor fast vierzig Jahren Geld gespendet. Damals war er noch gläubig. Die Zeit und das Leben heilen auch das.«
    Leire beobachtete sie und fragte sich, ob diese Frau sich wohl bewusst war, was das Papier bedeuten konnte. Sie beschloss, gleich zur Sache zu kommen.
    »Haben Sie Ruth adoptiert?«
    »Fräulein Castro …«
    »Frau Castro, wenn es Ihnen nichts ausmacht, ja?«
    »Werden Sie nicht laut. Ich habe viel Geduld mit Ihnen gehabt, aber jetzt überschreiten Sie eine Grenze. Ich darf Sie daran erinnern, dass Sie zum Verschwinden meiner Tochter ermitteln, nicht zu ihrer Geburt. Und ich bezweifle, dass es da nach neununddreißig Jahren irgendeinen Zusammenhang gibt.«
    Als Leire gerade antworten wollte, schaltete Abel sich in das Gespräch ein, und das auf recht schmerzhafte Weise, wie zum Protest.
    »Geht es Ihnen gut?«
    »Ja.« Sie atmete tief. »Ich glaube, schon. Eben hat er sich etwas heftig bewegt …«
    »Warum tun Sie sich nicht einen Gefallen? Gehen Sienach Hause, bekommen Sie Ihr Kind. Wirklich, ich sage es Ihnen als Mutter: Es gibt nichts Wichtigeres. Sobald es auf der Welt ist, verliert alles andere, was Ihnen jetzt wichtig erscheint, an Bedeutung. Sie denken

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