Der einzige Ausweg: Ein Barcelona-Krimi (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Sara mit dem Handy in der Hand.
»Wir müssen den Krankenwagen rufen. Oder die Polizei. Ich weiß nicht.«
»Du rufst niemanden an. Warte einen Moment«, sagt César und spricht leise weiter mit Sílvia.
Die Welt scheint wie angehalten auf diesem finsteren Stück Weg. Sie fühlen sich nicht mehr jung und frei, sie sind nervös, verängstigt. Die Stille auf dem Land, erfüllt von einem unbekannten Säuseln, ist ihnen unheimlich.
»Ich will es nicht sehen«, sagt Manel. »Ich ertrage kein Blut.«
Er tritt durch das Tor, geht auf das Haus zu, in aller Eile, flüchtet.
»Ja«, sagt César. »Geht ins Haus. Na los, Gaspar, geh mit Sara und Amanda. Und ruft niemanden an. Wir kümmern uns um alles.«
Sie begreifen, dass er mit Sílvia, die noch im Wagen sitzt, allein sein will, und mit Octavi. Vielleicht sogar mit Brais.
Gaspar hebt den Spaten auf, den César aus dem Wagen geworfen hatte, und geht los. Sara und Amanda folgen ihm, tun ein paar Schritte zur Seite, um nicht direkt an dem Toten vorbeizumüssen, auch wenn Amanda nicht umhinkann, einen raschen Blick hinüberzuwerfen.
Und wieder geschieht das Unvorhersehbare. Sie hören einen Schrei im Hof des Hauses, jemand ruft um Hilfe, und es kann nur Manel sein. Sara und Amanda bleiben stehen, und Gaspar, Spaten in der Hand, läuft auf diese Schatten zu, die am Boden miteinander ringen. Dann ist nur noch ein heftiges, dumpfes Geräusch zu hören.
Das Krachen eines Schädels.
»Und was ist dann passiert?«, fragte Héctor, trotz allem tief erschüttert.
Sílvia Alemany hatte während ihres Berichts einen neutralen Ton angeschlagen, als gehörte die Stimme nicht zur Geschichte, als wäre sie selbst nicht eine der Hauptpersonen.
»Tja, was sagen Sie jetzt?«, fragte sie, und sie klang wieder nach der Frau, die Héctor in diesen Tagen kennengelernt hatte. »Es waren zwei Nordafrikaner, bestimmt so ein paar kleine Diebe. Immigranten ohne Papiere, die niemand vermisste.«
»Haben Sie die anderen dazu gebracht, ihn nicht anzuzeigen?«
»Mehr oder weniger. Es war nicht schwer, glauben Sie mir. Gaspar war völlig fertig, und Octavi hat ihn davon überzeugt, dass es sich nicht lohnt, wegen eines kleinen Diebs ohne Familie und ohne Zukunft im Gefängnis zu landen, fern von seiner Tochter. Sara war loyal, gegenüber der Firma, gegenüber mir, genau wie César. Manel hat mitgemacht, weil er wusste, dass er etwas dafür herausschlagen konnte. Und Amanda … Ehrlich gesagt, Inspektor, ich weiß nicht, woran Amanda Bonet dachte.«
Vielleicht an ihre eigene Geschichte, sagte sich Héctor. So bereitwillig, wie sie sich Saúl unterwarf.
»Und Brais?«
»Er war am schwersten dazu zu bewegen. Ich weiß bis heute nicht, warum er mitgemacht hat. Vermutlich wegen Gaspar. Brais ist Waise, wissen Sie? Wie auch immer, er ist undurchschaubar. Aber ein Mann, der Wort hält, das ganz bestimmt.«
»Sie haben also beschlossen, es zu vertuschen«, sagte Héctor. »Und es ist Ihnen gelungen. Oder zumindest schien die Sache vergessen, bis …«
»Bis Gaspar den Verstand verloren hat. Er war sehr seltsam in den Monaten nach diesem Wochenende, und ich fürchtete schon, er würde alles erzählen. Deshalb haben wir, als Octavi um seine Beurlaubung bat, gedacht, dass ihm eine Beförderung guttäte. So konnten wir ihn weiter auf unsere Seite ziehen. Aber dem war nicht so, es ging ihm noch schlechter. Ich weiß nicht, ob er vor seinem Tod auch ein Foto von den Hunden erhalten hat.«
»Foto?« Héctor schoss hoch, plötzlich hellwach. »Haben das alle erhalten?«
»Ich glaube, ja, aber erst später. Vor kurzem erst. Nach Saras Tod.«
Héctors Verstand ratterte, fügte Angaben zusammen, stellte Fragen und beantwortete sie auf die einzige Weise, die ihm möglich erschien. Die Grausamkeit gegenüber Gaspars Familie, Saras Restaurantbesuch, bevor sie starb, die Fotos … Ihm fehlten Angaben, aber es konnte nicht anders sein. Er musste denken. Als er wieder sprach, war seine Stimme eine einzige Anklage.
»Sie haben mit diesen Menschen dasselbe getan wie mit den Hunden. Sie haben sich ihrer Körper entledigt, sie aus dem Blick geschafft, sie beseitigt, damit die Landschaft wieder war wie immer. Aber Menschen sind keine Hunde, Sílvia.«
»Wohl wahr. Manche sind schlimmer. Sie beißen hinterrücks.«
Héctor zeigte ein spöttisches Lächeln.
»Aus Ihrem Mund zeugt das von einem erlesenen Zynismus, Sílvia.« Und noch lauter fragte er: »Was haben Sie mit den Leichen gemacht?«
Sílvia sah ihm in
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