Der einzige Ausweg: Ein Barcelona-Krimi (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
immer sie konnte, bei ihren Arztbesuchen begleitete, und verabredete sich mit ihr für den nächsten Morgen. Seit Tagen hatten sie sich nicht gesehen, was bedeuten musste, dass es einen neuen Freund in ihrem Leben gab. Nach ihrem afrikanischen Abenteuer war María ohne diesen Lover von der NGO zurückgekommen und hatte kein gutes Haar an ihm gelassen, wenn auch glücklich über den etwas anderen Sommer. Schon seltsam, dachte Leire. Die Schwangerschaft hatte ihren Blick auf die Welt verändert, und das rastlose Liebesleben ihrer Freundin, das sie früher so amüsierte, langweilte sie nur. Du wirst alt, sagte sie sich. Du wirst Mutter, nicht Großmutter.
Was Außer Atem betraf, musste sie Guillermo recht geben. Zwar zeigte der Film einen Jean-Paul Belmondo, mit dem sie auf der Stelle durchgebrannt wäre, aber die Handlung war so lahm, dass Leire nach einer halben Stunde auf dem Sofa einschlief und erst am Ende aufwachte, als eine gequälte, viel zu dünne Jean Seberg ihren Freund verrät und sieht, wie er von Schüssen getroffen stirbt. »Sie hat ihn zu sehr geliebt«, hatte Ruth gesagt. »Das macht einem manchmal Angst.« Sie war so müde, dass ihr selbst das Denken wehtat, und sie ging mit dem Gefühl ins Bett, dass sie, wenn sie wacher gewesen wäre, Ruth und ihr Faible für diesen Film über die tragische Liebe besser verstanden hätte.
Am nächsten Morgen holte María sie wie versprochen ab und begleitete sie zum Sant Joan de Déu, dem Krankenhaus, wo sie, wenn alles gut lief, in ein paar Wochen Abel zur Welt bringen würde. Laut Arzt lief tatsächlich alles bestens, wenngleich der mit einer gewissen Strenge darauf bestand, dass sie sich ausruhte. Es gebe immer noch das Risiko, dassAbel weit vor dem ausgerechneten Termin zur Welt komme. Dagegen beglückwünschte er sie für ihr Gewicht, was sie nicht glauben mochte und ihren Laufereien zuschrieb oder der Tatsache, dass sie sich nun beim Essen mäßigte. »Es ist bald so weit«, ermunterte er sie. »Und ruhen Sie sich aus. Ich weiß, es ist langweilig, aber damit ist es bald vorbei.«
»Also«, sagte María auf dem Weg zum Parkplatz, »dann hören wir auf den Doktor und ich fahre dich nach Hause, ja?«
Leire zögerte. Sie wusste, dass ihre Freundin sie anpflaumen würde, wenn sie sie bäte, einen Umweg zu machen, zu dem Lager in der Nähe von Poblenou, Héctors Viertel, wo Fernández eine Box gemietet hatte. Aber die Aussicht, gefahren zu werden, war zu verlockend.
»Würde es dir etwas ausmachen, mich noch woandershin zu begleiten?«
»Sag nicht, du willst shoppen gehen.«
»Nein. Ich muss nur etwas abholen.« Sie wollte nicht geheimnisvoll tun, mochte aber auch keine Erklärung geben. »Bitte. Nenn es … ein Gelüst.«
María willigte zähneknirschend ein, getrieben sowohl von dem Wunsch, ihrer Freundin zu helfen, als auch von der Neugier. Als Entschädigung erzählte Leire ihr von dem letzten Gespräch mit Tomás.
»Sag bloß! Er will wirklich herziehen?«, fragte María. »Am Ende wird er noch ein Musterpapi. Und wie findest du das?«
»Na ja, ich nehme an, es wäre gut, wenn er in der Nähe ist, sobald Abel auf die Welt kommt. Für das Kind vor allem.«
Ihre Freundin lächelte.
»Warum fällt es dir so schwer zuzugeben, dass du dichfreust?« Doch als sie Leires ernstes Gesicht sah, sagte sie nur: »Schon gut, ich schweige, Miss Daisy. Ich chauffiere und stelle keine Fragen.«
Nur gelang ihr das nicht länger, als sie zu der genannten Adresse kamen und vor einem modernen Gebäude standen: einer Erfindung, um zu vertuschen, dass die Wohnungen in der Stadt, zumindest die erschwinglichen, sehr viel kleiner waren als benötigt.
»Hierherzukommen ist ein Gelüst? Kauf dir lieber Erdbeeren!«, raunzte María sie an.
»Warte auf mich. Nur ganz kurz.«
Und wie das Leben so spielt, war es das tatsächlich. Denn als Leire die Tür der Box Nummer 12 öffnete, war die praktisch leer, und so fand sie gleich eine Sporttasche voller Videokassetten und war bald zurück beim Wagen.
»Siehst du? Schon wieder da, du Meckerpott.«
»Was ist da drin?«
Leire machte den Reißverschluss auf und zog eine Kassette ein Stückchen heraus.
»Pornos«, sagte sie. »Irgendwas muss ich ja zu Hause tun, nicht?«
»Dann werden es Vintage Pornos sein, Schätzchen«, meinte María. »Sag bloß, du hast noch so ein altes Gerät zu Hause?«
Nein, sie hatte keinen Videorecorder zu Hause, aber ihr war eingefallen, dass sie mal in dem Laden fragen konnte, wo sie sich am Tag
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