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Der einzige Mann auf dem Kontinent - Roman

Titel: Der einzige Mann auf dem Kontinent - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand
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als würde etwas haken. Als würdest du auf etwas zu- und gleichzeitig davon weggehen. Ist es das, was man einen Blackout nennt?
    In der Tat. Für etwa eine Minute war Kopp außerstande, mehr von der Welt zu begreifen, als was er von ihr unmittelbar erfuhr:

    Ich stehe vor einem Gebäude, einem Krankenhaus, da ist der Eingang, da stehen Patienten, sie rauchen, ich rieche den Rauch. Außerdem riecht es nach Imbissbude, wo ist die Imbissbude, da rechts, hier links hält jetzt ein Bus, der Geruch, das Geräusch, Menschen steigen aus, gehen Treppen und Rampen hinauf, Gehwegplatten, diese führen zum Gebäude, die Sonne auf den Geländern aus gebürstetem Stahl und auf der Glaswand des Foyers, darüber das Bettenhochhaus, 20 Reihen Fenster, dahinter wieder Patienten, Mutter - ab hier konnte er wieder denken - meine spinnerte Mutter, ich bin herausgekommen, um zu telefonieren, ich telefoniere mit Aris Stavridis, er ist in Paris und hat ein neues Gerücht aufgeschnappt, dem ich nicht nachgehen kann, weil ich hier bin …
    Übrigens, sagte Aris, war Ken nicht faul, und hat gleich David Chan angerufen.
    ( Unseren Mann in Hongkong.)
    Chan hat gesagt, dass er nichts weiß. Aber Chan ist bekanntlich auch keiner, der dazu neigt, etwas zu wissen. Um es mal so auszudrücken.
    Ich weiß auch nichts, sagte Darius Kopp. (Im Moment bin ich froh, meine Stimme wiederzuhaben.) Aber danke. Danke, Aris, dass du angerufen hast.
    Ja, Aris hatte gedacht, Kopp würde das wissen wollen. Weil es von KenLin kommt. Stavridis hält KenLin für eine verlässliche Quelle.
    Ja, sagte Kopp.
    (Du hörst dich an, als stündest du unter Drogen. Nicht wie Michaelides - genau anders herum.)
    Alles in Ordnung? fragte Aris Stavridis in Paris. Du hörst dich … Stören wir gerade bei etwas?
    Nein, nein … Ich bin nur … Ich bin hier bei meiner Mutter. Sie ist im Krankenhaus.

    Wie sie sofort voller Mitgefühl waren. Bernard auch.
    Wie Kopp dafür dankte, alles nicht so schlimm, es wird schon, aber ich muss jetzt los, mich um einpaar Sachen kümmern.
    Wie sie ihn voll und ganz verstanden, keinesfalls länger aufhalten wollten, gute Besserung wünschten und alles Gute.
    Danke, sagte Darius Kopp.
     
    Er stand noch eine Minute da, sah, hörte, roch - abzüglich des Busses - dasselbe wie zuvor: Der Eingangsbereich eines Krankenhauses, eines Krankenhauses für arme Leute, man sieht es an ihren Jogginganzügen, man sieht es an ihren Gesichtern. Über ihnen das Bettenhochhaus, es trägt eine Werbe-Schärpe für riesige Handys. Ich weiß nicht wieso, schüttete Kopp einmal Juri sein Herz aus, jedes Mal, wenn ich dort bin, habe ich das Gefühl, in einer anderen Realität zu sein. Ich weiß, ich weiß, dass das normal ist, denn es gibt nun einmal mehrere. Dennoch bin ich irritiert. (Ich fühle mich wie früher in den Zügen. - Das sagte er ihm nicht mehr, es wäre zu kompliziert gewesen.) Eine kleine Luftbewegung trug einen neuen Schwall Bratfettgeruch herbei, das Bratfett roch verführerisch und ekelerregend. Kopps Magen bewegte sich. Wie spät ist es? Kurz vor 5. Den Zug um 17:16 krieg ich nicht mehr, aber den um 18:16. Er nahm nicht die Treppen, er nahm die Rampe.
     
    Aber sei nett! Du kannst nicht sagen, was du denkst, wo kämen wir da hin. Mütterchen, liebes Mütterchen, mach dir keine Sorgen, ich habe mit den Ärzten gesprochen(!), es wird alles gut, aber ich muss jetzt wirklich los, zurück an die Arbeit, es hat sich etwas ergeben, etwas Dringendes, aber du kannst mich jederzeit anrufen, versteht du, jederzeit. Ich komme, wenn ich kann.

    Selbstverständlich bekam er weder den einen Zug noch den anderen.
    Die Stimme kam von rechts: Hansi?
    Er wusste sofort, dass er gemeint war, er erkannte die Stimme, dennoch, mein erster und offizieller Name ist …
    Darius!
    (Wenn du jetzt noch so tust, als würdest du sie nicht hören …)
    Marlene!
    Für einen Sekundenbruchteil sah er noch, dass sie ihr fürsorgliches Gesicht trug - Das ist gut, das ist das bessere! - dann befand er sich auch schon in ihrer Umarmung. Er sah sie beide in der Glaswand des Foyers gespiegelt: ein dicker Mann mit schütterem Blondhaar, umarmt von einer kleinen, sehr zierlichen Schwarzhaarigen. Es fehlt nicht viel und sie könnte eines der Mädchen mit der Nasensonde sein. Sie kleidet sich auch wie ein Teenie, kurzer Jeansrock und -jacke mit irgendeinem Glitzer, gelbes Achselshirt, darunter ein schwarzer BH …
    Tut mir leid, sagte Marlene in Gedanken zu ihrem Bruder. Ich konnte einfach nicht

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