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Der einzige Mann auf dem Kontinent - Roman

Titel: Der einzige Mann auf dem Kontinent - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand
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ich aber wirklich stinkig, mein Junge). Er ging hinaus und soff trotzig so viel Bier, wie er es sich sonst versagte. - Ich sage dir die Wahrheit, mein Sohn, sagte er in einem der seltenen ohne-Scherz, also intimen Momente: Wenn ich könnte, wie ich wollte, würde ich die ganze Zeit saufen. Das ist meine heimliche Leidenschaft, die ich mir versage, seitdem ich mit 14 das erste Mal etwas getrunken habe. Nein, ich habe nicht mit 14 das erste Mal getrunken, sondern viel früher, bei uns haben die Männer die kleinen Jungs immer damit aufgezogen, hier, willst du mal
ein’ Schluck Bier?, und dann musste man auf einen Zug so viel wie möglich stehlen , damit sie johlten und klatschten und einem auf die Schulter klopften, aber geschmeckt hat es mir erst mit 14, und da erschrak ich, denn ich sah deutlich, dass ich trinken könnte, bis ich sterbe. - Also trank er auch diesmal nicht so viel, wie er eigentlich gewollt hätte, nur eben deutlich mehr, als es seiner Frau lieb gewesen wäre. Kopp sagte seinem Vater, dass er ihn sehr gut verstehen könne. Ihm ginge es so mit dem Essen. Eine 500-Gramm-Tafel Schokolade auf einmal. Aber nicht etepetete Stücke abbrechen, sondern reinbeißen, so. Auch ich wäre längst tot, bevor ich meinen Appetit gestillt hätte. Dieses Letzte sagte er nicht mehr, er ging nur bis zur 500-Gramm-Tafel, und der etwas angegangene Darius der Ältere nickte, aber er schaute ein wenig schräg. - Ein Mann mit Schokolade ist etwas anderes als ein Mann mit Alkohol. Ich weiß, dass er das denkt, und es wurmt mich. - Darius Kopp hat etwas Sehnsucht nach seinem Vater, aber ansonsten geht es ihm gut. Ich hasse die Regierung, meine Nachbarn, allgemein meine Mitmenschen und also auch meine Eltern nicht.
    Dafür endete die Kompromissbereitschaft der Eltern schlussendlich in so etwas wie Hass. Nein, das ist ja die Krux. Nur meine Mutter hasst meinen Vater, weil er sie weder hasst noch liebt. Sie haben das ein Vierteljahrhundert lang unter dem Deckel gehalten, so lange, bis sie sich kurz nach der Wende scheiden ließen, um, Zitat, endlich auch mal an sich selbst zu denken im Rahmen der neuen Möglichkeiten.
    Als Auslöser diente, dass Darius der Ältere seinen Job verlor, darüber aber nicht unglücklich war, sondern sich endlich seinen Traum erfüllen und selbstständig werden wollte. Ich wollte immer schon mein eigener Chef sein, der Mensch ist für das Gemeineigentum an Produktionsmitteln nicht geschaffen, mit 53 Jahren ist es noch nicht zu spät, in 10, 15 Jahren kann
der Mensch noch einiges auf die Beine stellen, besonders jetzt, da es endlich nur noch auf dich ankommt. Es kommt jetzt nur noch auf dich an, sagte Darius der Ältere mit Blick zu seinem Sohn. (Wieso sagt er das jetzt zu mir?) Greta ihrerseits ging in Frührente. Ihr tat ohnehin schon seit Jahren alles weh. Frauen bringen Kinder zur Welt, machen das Haus und dann sollen sie noch bis sechzig etc. Das sagte sie nicht jetzt, sondern früher häufiger, deswegen schenkten ihr ihre Kinder auch ein Fußmassagegerät, in dem das Wasser sprudelt, damit sie abends ihre müden Füße pflegen konnte, aber darum geht es jetzt nicht.
    Marlene war erst 12 und noch ein Kind, sie konnte noch nicht so kreischen, wie sie es heute kann, nah am Wasser gebaut war sie immer schon, aber damals liefen ihre Augen nur still mit Tränen voll - ihr Bruder bemerkte es gar nicht. Er sagte seinen Eltern, das sei ja schön, prima sei das, dass sie sich nicht der Angststarre und der rückwärts gewandten Lethargie mancher Leute ihres Alters hingeben, sondern etwas unternehmen wollen. Was wollen sie denn konkret unternehmen?
    Sie, als solche s , wollen gar nichts unternehmen, das war ja das eigentliche Thema.
    Frank gesagt wollte Darius der Ältere den Rest seines Lebens lieber alleine sein. Mein Leben lang war ich gefesselt und geknebelt, mein Sohn. Jetzt ist Schluss damit.
    Dieses »gefesselt und geknebelt« war zu viel für Greta. - Hast du’s ihr etwa erzählt?! Du Dummkopf?! Jetzt hast du den Schmutz, jetzt kannst du noch so viel erklären, dass er damit vielleicht nicht nur Ehe und Familie gemeint haben könnte. (In der Tat wollte Kopp aus aktuellem Anlass eigentlich über die DDR mit seiner Mutter reden - dazu kam es nicht mehr.) - Wir sind es, die die Kinder zur Welt bringen und uns um sie kümmern! (Das sagtest du bereits …) Wenn hier jemand gefesselt
und geknebelt war, dann ich! Als Frau hast du die Arschkarte, so sieht es nämlich aus!
    Hat sie wirklich Arschkarte gesagt?

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