Der einzige Mann auf dem Kontinent - Roman
Hämoglobinabbau. Totes Blut. Die Bakterien verbreiten sich schnell und infizieren die Umgebung. Es standen folgende Alternativen zur Verfügung.
1. Invasiv: Großzügiges Entfernen des nekrotischen Gewebes, anschließend ein Verband mit Hydrogel, die Gabe von Antibiotika und die Beobachtung der Wunde. Wenn sich keine Verbesserung einstellt, muss erneut Gewebe entfernt werden, so lange, bis der Prozess der Verwesung gestoppt ist.
2. Nicht-invasiv: eine Madentherapie. Dabei kommen die Maden der Goldfliegenart Lucilia sericata zum Einsatz. Gemeinhin besser als Schmeißfliege bekannt, doch, wie überall, macht auch hier der Ton die Musik, also sagen wir: Gold fliege. Um es kurz zu machen, haben diese Maden die Besonderheit, dass sie sich selektiv von abgestorbenem Gewebe ernähren, sie vertilgen das nekrotische Gewebe und den Bakterienbefall, intaktes Gewebe wird geschont, und die Enzyme, die in den von den Maden permanent ausgeschiedenen Verdauungssäften enthalten sind, regen sogar die Heilung an. Hier, auf dieser Abbildung sehen Sie, was es für Ergebnisse geben kann. Sie sehen das Perineum - das ist der Bereich zwischen Scrotum und Anus - eines 70jährigen Patienten: zunächst von einem ausgedehnten roten Geschwür bedeckt und drei Wochen später von zarter, neuer, rosa Haut.
Die Ärztin und Kopp waren für die Maden, Marlene wusste nicht, Greta war gegen alles.
Lieber sterbe ich!
Kommt nicht in Frage.
Das geht euch einen feuchten Dreck an, es ist mein Leben!
Gut, dann stirbst du halt. Frau Doktor, meine Mutter wünscht keine weiteren Behandlungen, sie wünscht zu sterben … Siehst du, jetzt weinst du.
Freundlich und geduldig erklärte die Ärztin, die eine aufgestellte Nasenspitze (Steckdose) und zu einer Banane hochgesteckte blonde Haare hatte (Ich wusste gar nicht, dass mir dieser Frauentyp auch gefällt …), erneut die Vorzüge der Behandlung mit Maden.
Ich bin Ihnen unendlich dankbar. Wie Sie es geschafft haben, das Vertrauen unserer Mutter zu gewinnen, die ansonsten keine Frauen mag! Das sollten Sie nicht persönlich nehmen, denn sie mag auch keine Männer, oder zumindest nicht sehr. Später
wird sie Sie leider bis in alle Ewigkeit verfluchen, umsonst versuche ich, meine Schwester und sogar deren Lebensgefährte, Sie zu verteidigen, sie würdigt Sie keines Blickes mehr, sie wünscht, dass Sie aus ihrem Zimmer verschwinden und anschließend zur Hölle fahren, denn umsonst haben die Goldfliegenmaden fleißig an ihr geweidet und haben um das Hundertfache zugenommen, umsonst stellten sie nach getaner Arbeit die Nahrungsaufnahme ein und wurden gegen neue, frisch geschlüpfte Goldfliegenmaden mit entsprechendem Appetit ersetzt - es half nichts. Es musste schließlich doch geschnitten werden, und zwar nicht nur der kleine Zeh, sondern auch der daneben, der keinen Namen hat. Doch, man nennt ihn den vierten Zeh.
Das war vor einem Jahr. Seitdem geht es rein ins Krankenhaus, raus aus dem Krankenhaus, die Infusion fließt und fließt.
Kopps Ehrgeiz, ein guter Sohn und Bruder zu sein, ist vielleicht nicht so ausgeprägt wie auf anderen Gebieten, aber durchaus vorhanden. Aber es ist nicht einfach, Flo. Ich weiß nicht wie und wann, irgendwann unterwegs ist dieser Familie die normale Sprechweise abhandengekommen. Meine Mutter hatte immer schon dieses Dauerjammern, wie ein defekter Leierkasten, aber Marlene war einmal ein nettes Kind gewesen. Bis sie 4 war, holte ich sie mit dem Fahrrad aus dem Kindergarten ab, sie saß vorne im Kindersitz und sang die ganze Zeit, grüßte alle mit Glockenstimme, und die ganze Nachbarschaft mochte sie. Später verlor man sich etwas aus den Augen, bei dem Altersunterschied, sie schrieb rührende Briefchen auf rosa Papier, in der rechten oberen Ecke schwebten violette Herzen, ich schrieb nur einmal zurück, ich brauchte sechs Wochen und einen Tag für eine Seite, ich schwitzte Blut und Wasser - Über ein Geschäftsessen. Es gab Rindercarpaccio, Scampi in Weinsoße,
Chianti, Eis mit Feigen und grünem Pfeffer - dann war es auch damit vorbei, und als sie mir das nächste Mal bewusst wurde, war bei beiden nur noch Heulen und Zähneklappern da. Jedes Mal, als würden sie eimerweise heiße Suppe über einen auskippen. Wusch! Als wäre ich das belagernde Heer und sie die tapferen Verteidigerinnen. Manchmal bekomme ich richtig Angst, wenn ich ihre Stimmen höre.
Er hätte einen Rückruf vielleicht noch bis morgen hinauszögern können, wir waren in einem Funkloch usw., aber wie
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