Der einzige Mann auf dem Kontinent - Roman
nichts.
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Als er das Telefon zum Ohr hob, blitzte ein letzter Strahl der scheidenden Sonne auf dem silbernen Gehäuse auf. Von Gottes Licht befruchtet. Kopp, ein geborener Heide, assoziierte natürlich in eine ganz andere Richtung: als wäre das der sichtbare Strahl, der vom Satelliten direkt zu ihm fiel und ihm die relevanten Informationen brachte.
Der erste Anrufer hatte aufgelegt.
Die zweite Nachricht war von seiner Mutter, die hoffte, dass es ihm gut ging.
Die dritte Nachricht war von seiner Schwester, die ebenfalls hoffte, dass es ihm gut ging, während es ihr selber grade miserabel ging, Danke der Nachfrage!
Darius Kopp auf dem Hügel seufzte.
Die Nacht
Darius Kopp der Jüngere wurde am 28. September 1965 geboren. Seine Mutter war eine Harpyie, sein Vater ein Egoist, wie so häufig. Sie hatten sich bei der Arbeit kennengelernt. Mein Name ist Darius. Er war ein Bastard. Ein Pole als Vater war anzunehmen. Oma Olga schwieg sich aus. Der Vater ist doch egal. Nach einem Jahr flüchtiger Bekanntschaft gab es ein Betriebsfest, bei dem sie unter einem Dach aus grauem Wellenschiefer tanzten. Später in derselben Nacht zeugten sie ihren Erstgeborenen. Sie heirateten, obwohl ihnen, wie sie später übereinstimmend aussagten, sonnenklar (resp. wie Kloßbrühe )
war, dass sie nicht zusammenpassten, aber er wollte nicht, dass sich diese Bastard-Geschichte ewig fortsetzte, und sie wollte gar nicht erst damit anfangen, sechziger Jahre hin oder her. Dass es überhaupt wenig gäbe, das sich ewig fortsetzen sollte, betonte Darius mehr als einmal, er betonte, die Abwechslung und die Veränderung zu lieben, dennoch beharrte er darauf, seinem Sohn exakt denselben Namen zu geben, den er selbst erhalten hatte. Darius, der Jüngere. Der kleine Darius. Aus ihm selbst wurde auf diese Weise, natürlich: der große. Die Mutter des Kindes fand den Namen überkandidelt, sie hasste alles Außergewöhnliche, aufzufallen ist asozial. Ist mir egal, sagte der Kindsvater, das Kind heißt Darius. Ist mir egal, sagte die Mutter, das Kind heißt Johannes. So kam es, dass sein Vater ihn Darius und seine Mutter Hansi nannte. Wenn man das bedenkt, bin ich mehr als normal geworden, findest du nicht, Flo?
Darius der Ältere war ein eitler Mann, ein schönerer Mann als Greta es als Frau ist. Das brachte einiges mit sich. Einen kleinen, engzinkigen Kamm in der Gesäßtasche (wie er neben dem Knopf herausschaut!), mit dem er sich das volle (!) Haar zu einer Tolle kämmte, auch später, als Tollen schon wieder aus der Mode waren. Fotos, auf denen er gigantische Koteletten trägt. Sitzt auf einem Motorrad, das ist, mit heutigen Augen gesehen, (etwas) lächerlich. Mit Koteletten auf dem Motorrad.
Dass sie, wenigstens anfangs oder wenigstens zeitweise auch das eine oder andere aneinander mochten, ist nicht auszuschließen, aber sie reden nicht darüber. Man könnte nur spekulieren, aber so wichtig ist es nun auch wieder nicht. (Für Marlene, früher, vielleicht. Jetzt können wir sie alle mal kreuzweise. Ich habe genug geheult.) Sie lebten in einer Proletarierdiktatur, die - für sie - weniger ihr gefährliches als ihr ödes Gesicht zeigte. Dementsprechend war auch ihr Leben etwas öde, aber die meiste Zeit störten sie sich nicht daran. Sie waren
arm, aber sauber, das Wasser fürs Waschen, Kochen und die Windeln holten sie erst auf halber Treppe und erwärmten es auf einem Rechaud, später floss es aus Wasserhähnen in ihren eigenen vier Wänden, und es mangelte ihnen auch sonst an nichts.
Außer, natürlich, dass ich machen kann, was ich will, sagte Darius der Ältere, und weil er so tat, als scherzte er, zwinkerte er.
Aber Greta konnte man damit nicht kaufen, sie fragte beleidigt: Und das wäre?
Darius der Ältere zählte ab: Reise-, Konsum- und Unternehmungsfreiheit. Du siehst, ich bin nicht unersättlich, drei Finger reichen, auf Presse- und Versammlungs- bestehe ich nicht, das interessiert mich nicht so sehr. Ein gutes Auto mit Ersatzteilen und Garage und ein eigenes kleines Unternehmen, das würde mir schon reichen.
Du bist doch viel zu chaotisch, um etwas zu unternehmen. Und faul bist du außerdem.
Darüber war der sonst immer zu Scherzen Aufgelegte - Zwei Sachen haben mich immer an deinem Vater genervt: sein ständiges Gerede über freies Unternehmertum und seine blöden Witzeleien; muss denn wirklich immer alles lächerlich gemacht werden? - aber wirklich stinkig (Sein Wort. Da war
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