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Der einzige Mann auf dem Kontinent - Roman

Titel: Der einzige Mann auf dem Kontinent - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand
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hinkommt, wo man sich auskennt? Normalerweise hätte sich
Darius Kopp für die erste Variante entschieden (Wenn ich etwas nicht leiden kann, dann zurück zugehen …), aber das Fahren auf den Bahnschwellen war unmöglich, also drehte er um und fuhr zur letzten Kreuzung zurück. Das machte ihn nicht schlauer, er war sich nicht einmal mehr sicher, auf welchem dieser Wege er gekommen war, er schämte sich vor sich selbst, ich kann doch nicht so ein Trottel sein, Männer sind Jäger, sie können sich orientieren. Fluch. Schließlich nahm er einfach irgendeinen der Wege, das heißt den, der am Waldrand entlangführte.
    Zumindest eine Weile, dann führte auch dieser Weg wieder in den Wald hinein. Kopp fluchte, wendete diesmal aber nicht, sondern fuhr einige Minuten in wachsender Verzweiflung und Wut einfach in sein Verderben, und dachte dabei auch nichts anderes mehr als: ich fahre mit wachsender Verzweiflung und Wut in mein Verderben. Was, wenn ich die ganze Nacht hier herumirre? Was, wenn Flora, auf der Suche nach mir, die ganze Nacht hier herumirrt? Beim Gedanken daran hielt er wieder an. Stand auf dem Waldweg, zwei weiße Streifen waren davon zu sehen, mehr als gar nichts. Stand eine Weile nur da und horchte. Etwas raschelte. Flora? Aber er traute sich nicht, nach ihr zu rufen, denn im Augenblick darauf dachte er schon: Wildschweine. Mannsgroße, wütende Wildschweine in Verteidigung ihrer Brut und ihres Territoriums.
    Aber es war ein Reh, das nach einer ewigen (in Wahrheit: kurzen) Weile Ratlosigkeit und zunehmenden Herzklopfens auf den Weg spaziert kam. Kam auf den Weg spaziert, blieb stehen und starrte Darius Kopp aus zu Tode erschrockenen leuchtenden Augen an.
    Standen beide mit klopfendem Herzen da: Kopp und das Reh.
    Ein Reh, nur ein Reh. Rühr dich nicht.

    Er rührte sich nicht.
    (Geh weg!)
    Aber es ging nicht weg.
    Bis Kopp schließlich dahinterkam, was die Lösung war. (Rühr dich.) Er rührte sich, drehte den Kopf zur Seite. Als er ihn wieder zurückdrehte, war das Reh verschwunden.
    Kopp fuhr weiter - versuchte, dabei leiser zu sein - und kam kurze Zeit später an eine Kreuzung. An der Kreuzung gab es, gesegnete Zivilisation!, einen Wegweiser, der ihm anzeigte, dass er nach rechts musste. Er fuhr nach rechts. Es kam ihm noch der Gedanke, was, wenn einer, eine Gruppe Dorfjugendlicher, zwei besoffene Waldhüter, ein zu Scherzen aufgelegter einsamer Wanderer den ganzen Wegweiser verdreht hatte, aber da sah er schon die erste von insgesamt drei Straßenlaternen der Siedlung aufleuchten.
     
    So eine blöde Scheiße!
    Was ist passiert?
    Wie konntest du mich nur dalassen?
    Was ist passiert?
    Ich habe telefoniert, dann bin ich zum Biergarten gefahren, weil ich dachte, du hättest gesagt, dass du dorthin fährst.
    Wann fahre ich je zum Biergarten?
    Ich dachte, du warst durstig.
    Ja, und deswegen fuhr sie nach Hause, was wesentlich näher war, und trank Wasser aus dem Hahn.
    Elende Scheiße! Und dann hab ich mich verirrt.
    Du hast dich verirrt?
    Ja, klassisch, im Wald! Ich hab alles so gemacht, wie auf der Hinfahrt, trotzdem. Ich wäre fast mit einem Reh kollidiert.
    Du wärst fast mit einem Reh kollidiert?
    Sie sagt, das täte ihr leid, aber sie lacht dabei.

    Lach nicht!
    Ich lache nicht.
    Der ganze Wald klebt an mir, ich weiß gar nicht mehr, wo ich mich zuerst kratzen soll, wenn ich mich in der Ellenbeuge kratze, fängt die Kniekehle an und der Hals, mein Hintern tut weh, mein Sack ist eingeschlafen, weißt du, wie unangenehm das ist?
    Woher sollte ich das wissen, mein einziger Schatz?
    Sie lachte, streichelte sein Gesicht.
    Er sagte, er habe großen Durst und auch Hunger. Mein Dom ist schon ganz schlaff, schau. Haben wir noch was zu essen da?
    Schlug sich auf die Stirn, dass es nur so klatschte: Ich wollte doch grillen!
    Ihrer Meinung nach war es dafür schon zu spät.
    Papperlapapp! Er fing zu hantieren an, Holzkohle etc., und gegen Mitternacht biss er dann tatsächlich in ein Stück Rippe. Er zeigte sie dem in voller Blüte stehenden Mond: Siehst du das? Siehst du das? Er fuchtelte triumphierend mit dem halb abgenagten Knochen, sein Kinn war voller Fett. Siehst du das?
    Und sie lachten noch ein letztes Mal.

SONNTAG

Der Tag
    Nach einem Wochenende in der Natur war Darius Kopp ein neuer Mensch.
    Natürlich nicht.
    Den Sonntag hätte er, so wie er da war, am liebsten übersprungen, aber das ist nun einmal nicht möglich. Du kannst nicht fiebriger sein als die Zeit. Der Rückweg aus dem Privatins öffentliche

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