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Der einzige Mann auf dem Kontinent - Roman

Titel: Der einzige Mann auf dem Kontinent - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand
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(mittelbaren) Wirkens vor Ort. So verließ er ihn und suchte stattdessen nach Sasha Michaelides. Er suchte in allen möglichen Variationen, Schreibweisen - Meinten Sie: Sascha Michaelides? -, fand einen Neurologen und einen Architekten, die wenigstens ähnlich hießen, suchte in Foren, in Blogs und schließlich sogar in Bildern, obwohl das sinnlos war. Ich weiß ja nicht, wie er aussieht. Und Frau Bach ist in Venezuela. Übrigens erschienen bei der Bildsuche hauptsächlich Röntgenaufnahmen von mit Schrauben fixierten menschlichen Gliedmaßen. Kopp fiel seine Mutter ein, ihre Arme und Beine, er stand auf einem heißen, abendlichen Hügel mit einem Fahrrad an der Hand, im Tal staubige, kreisförmige Ruinen, er hatte quälenden Durst, er ließ das Fahrrad (=die Maus) los, als wäre sie zu stark von der Sonne aufgeheizt worden, stieß sich mit dem Rollstuhl ab - Kontrolliert! Die Kartons sind nah! - damit die Tastatur außer Reichweite rückte
und sich auch die Augen vom Bildschirm lösen mussten … Ich hatte heute noch gar kein Frühstück! Schnell hinaus in die Küche, um es nachzuholen!
     
    Ein Glas Orangensaft, ein Cappuccino mit Extrazucker. Und, heute zum ersten Mal: Fruchtjoghurt. Ein Tablett mit Fruchtjoghurts, obenauf ein gelber Zettel: Bitte, jeder nur 1. In Herrn Lasockas Handschrift. Ich erkenne Lasockas Handschrift. Kopp fand die Bitte auf unnötige Weise Enge erzeugend (kleinlich, ja fast unverschämt) und nahm aus Trotz: 0. Aber einen zweiten Cappuccino, diesen trug er zurück ins Büro.
     
    Er blieb hinter der Tür stehen, um einen Schluck Schaum zu nehmen. Eintauchen, auf der Oberlippe bleiben Reste zurück, sie mit Zunge und Unterlippe herunterholen. Dabei fiel sein Blick zum Karton der Armenier auf der Säule neben dem Fenster. Er stellte die Tasse vorsichtig auf eine freie Ecke des Tisches. Er holte den Karton von der Säule, öffnete die Lasche, sah hinein. Er sah das weiße Kopierpapier, erkannte Knicke darin, die er selbst am Vorabend verursacht hatte. Er zog das Geld nicht heraus, er schloss die Lasche, legte den Karton wieder ab und setzte sich hin. Auf dem Laptop hatte sich in der Zwischenzeit der Bildschirmschoner aktiviert. Er zeigte ein Urlaubsfoto: wolkiger Himmel, davor grüne Hügel, dazwischen ein Tal voller Tulpenbäume (afrikanisch, rot), im Vordergrund ein blaues Holzhäuschen. Kopp imaginierte Sas(c)ha Michaelides, der gerade in dieser Landschaft aus einem Bus stieg. Er hat einen für das Klima unpassenden dunklen Anzug an und ein Aluminiumköfferchen in der Hand.
    Nein, das ist meiner.
    Michaelides schätzen wir eher schweinsledern ein. Oder, im Gegenteil: neuestes Hightechmaterial, frisch aus der Weltraumforschung.
Über solche Eitelkeiten kann ein Aris Stavridis nur lachen. Er läuft mit billigen Plastikumhängetaschen (angeblichen Laptoptaschen) mit Werbeaufdruck einer beliebigen Firma aus dem IT-Bereich herum. Aus diesen verteilt er seine Geschenke. Er kommt nie ohne Geschenke.
    Aris Stavridis. Der es - welche Mächte lenken ihn? - immer schafft, im richtigen Moment aufzutauchen. Oder redest du dir das nur ein? Weil du dich freust. Ja, ich freue mich, ich bin gerne mit ihm zusammen, er ist ein netter Mensch und weiß immer alles. Nicht alles, aber vieles, was ein Darius Kopp sonst erst Wochen später, wenn überhaupt, mitbekommen würde. Seitdem Stav nicht mehr bei der Firma ist, ist unsere Versorgung mit Informationen beträchtlich spärlicher geworden. Obwohl man immer noch gelegentlich telefoniert. Seit der Istanbul-Geschichte allerdings nicht mehr. Kopp war es zu peinlich. Als hätte ich mir ihm gegenüber etwas zuschulden kommen lassen.
    Klatsch! Kopp schlug sich auf die Stirn, aber so plötzlich und laut, dass jemand, der mit im Raum gewesen wäre, unweigerlich erschrocken wäre. Aber natürlich! Mit einem Mal war es Kopp klarer als die Sonne: Wenn einer etwas weiß, dann Stav! Nicht, weil ein Grieche den anderen kennt, sondern weil auch das Armenien-Geschäft von keinem anderen als ihm vermittelt worden war. Er hatte es nur bis jetzt geheim gehalten, um mir keine Schwierigkeiten zu machen!
    Erfreut darüber, wie schön doch alles zusammenhing, und darüber, das herausgefunden zu haben, lachte Darius Kopp auf, kippte den letzten Schluck Cappuccino - der Schaum kroch zu langsam, er gab ihn auf - warf sich gegen die Rückenlehne, so dass sein Stuhl kräftig federte, und wählte.
    1.
    2. London.

    In London klingelte es, Kopp memorisierte: Hellou, nicht Godday, Stephanie,

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