Der einzige Mann auf dem Kontinent - Roman
Schluss gepflegt. Das war schön. Ja, schön, wirklich. Am Ende war sie so verwirrt, dass sie nicht sah, dass wir in Athen waren. Sie dachte, sie wäre auf dem Dorf, in dem sie aufgewachsen ist. Saß bei mir im Innenhof, wo unter einem gelben Wellplastikdach in Kübeln einpaar Oleander stehen, und sagte immer zu mir: Schau, wie schön dieser Garten ist! Und erzählte, was die Zicklein und die Entlein heute gemacht haben, und wenn die Frau über uns das Wasser auf das Plastikdach warf, weißt du, das soll sie nicht machen, sie macht das Wasser einfach so, wusch, aus dem Fenster, weil sie auch vom Dorf kommt, das Wasser fällt auf das gelbe Dach, und läuft dann da runter und tropft, und wenn sie also das machte, dann quietschte meine Mutter vor Vergnügen. Sie lachte wie ein kleines Mädchen. Apropos kleines Mädchen, Irini hat eine Tochter bekommen. Christina. Jetzt bin ich also Opa.
Wie schön. Gratuliere.
Ja. Den Vater der Kleinen will sie nicht heiraten, so kriegen sie mehr vom Staat. Und auch Stavridis unterstützt sie weiterhin finanziell, obwohl sie schon 30 ist, aber so ist es eben. Die
Söhne auch. Valéry studiert Diplomatie, ein perfekter Gentleman, du wärst erstaunt, Mathieu hat gerade Abitur gemacht und ist zu mir nach Athen gekommen, er weiß noch nicht so richtig, jetzt reisen wir ein bisschen herum.
Selbstverständlich reiste Aris Stavridis nicht zu seinem bloßen Vergnügen, wenngleich es ihm auch Vergnügen bereitete, sondern weil er gerade dabei war, etwas Neues aufzuziehen. Mit Bernard zusammen.
Oh? Wie geht es dem guten Bernard? fragte Kopp.
So la la. Er ist bei einer Firma für Sicherheitstechnik und nicht sehr glücklich. Die Branche als solche wäre gut. Wie das Bestattungsgewerbe. Stirbt nie aus, hähä. Die Leute haben immer Angst, Staaten, Firmen, Einzelpersonen, und häufig nicht einmal zu Unrecht.
Ja, sagte Kopp und steuerte bei, was er neulich über die Wohnungseinbrüche gehört hatte.
Stavridis nickte und fuhr wortreich fort, über Bernards Arbeitsplatz zu erzählen. Sie führen ein breites Sortiment, angefangen von Messern (!), Schlagstöcken (!), Handschellen (!), bis hin zu Audio-, Video- und Telefonüberwachung, hinken aber etwas hinterher bei Peilsendern, GPS-Ortung, GPS-Blocker, Handy-Blocker …
Hier begann Kopps Aufmerksamkeit bereits wieder nachzulassen, bzw. sie trat weiter zurück, dorthin, wo er seinen eigenen Task zu laufen hatte. Es ging damit nicht wesentlich voran. Er dachte immer wieder dasselbe: neue Situation + einzahlen geht nicht + und was geht? + ich muss anrufen. Während er die Gabel in den Nudeln drehte. Zwischen den Nudeln waren noch andere Lebensmittel, rot, olivschwarz, grün und sardellenfarben, Kopp sah aus, als würde er sich darauf konzentrieren, alles zu erwischen. Er nickte manchmal auch wie jemand, der zuhört.
… Bernard, er ist ein ehrgeiziger Junge … in so einer »traditionsreichen« Firma sind die Strukturen so fest … für die klitzekleinste Änderung ein Aufwand … als ginge es darum, den Mount Everest woanders hinzuschaufeln … Einfach jeder, sagt Bernard, jeder dort ist dümmer als ich.
Der arme Bernard. Immer ist jeder dümmer als er.
… Bernards Leben war auch sonst gerade nicht sehr sonnig … Am Wochenende einen Konflikt gegeben mit der Frau … Als man Fidelis Paris aufgelöst hat … ein paar Sachen übrig geblieben … Harmony-Router, Antennen, Kleinkram … in keiner Liste … also Bernard sie mit nach Hause … ein bisschen Zeit vergehen lassen … übers Netz verkaufen … Er hat ein Zimmer … vollgestopft mit sämtlichen Computern und Zubehör … das erste Mobiltelefon, groß wie ein kleineres Auto … und so weiter. Du kennst das.
Stavridis lachte, Kopp lachte mit, war aber doch ein wenig verwundert. (War er jemals bei mir zu Hause? Ich sollte endlich aufmerksamer sein.)
Bernard also, nicht wenig mitgenommen vom Wochenende, erschien am Montag bei der Arbeit, und es wartete neuer Ärger auf ihn. Ihm schien, zwei Produkte, zwei Messersets (Bernard kann nichts dafür, immer, wenn diese Messersets gekauft werden, wird ihm so absurd; seine Worte: Mir wird so absurd) mit dementsprechend zwei Produktnummern waren eigentlich nur eins. Nur ein Messerset. Aber zwei Produktnummern. Wenn du was anderes zu tun hast, und wann hast du nichts anderes zu tun, sagst du dir, scheiß der Hund drauf, suchst du dir halt eine von beiden aus und fertig. Aber Bernard, dem gerade eine Standpauke bzgl. Ordnung gehalten worden war,
Weitere Kostenlose Bücher