Der einzige Sieg
Stunde nach Entdeckung zerstören. Eventuell konnten sie sogar ihre eigene Expedition auslöschen. Gegen Bomber über einer offenen Wüstenfläche wäre man ohne jede Chance. Die USA würden den Zwischenfall und eventuell auch den Tod der Expeditionsteilnehmer als Grund für eine Fortsetzung des Krieges gegen Libyen verwenden können. Sie würden »Libyen eine Lektion erteilen«, oder wie sie ihre Motive sonst formulieren mochten.
Und selbst wenn die Amerikaner sie gewähren ließen, wäre es äußerst gefährlich, in palästinensischen Halftrucks am Ziel anzukommen. Die Überlebenden würden erzählen. Ghaddafi würde kaum anders als mit der Stillegung der Basis Sarra reagieren, und damit würden fünftausend junge Männer Tunis überschwemmen und ihren Oberen in den Ohren liegen, endlich wieder irgendwo zuzuschlagen. Einige von ihnen würden es sicher tun, während andere für Figuren wie Ahmed Jebril, Abu Nidal und ähnliche eine leichte Beute sein würden. Diese Gestalten konnten genausogut von irgendeiner geheimen israelischen Organisation angeheuert worden sein wie von Syrien oder dem Irak.
Es war ohne Zweifel so, wie Carl es scherzhaft zusammengefaßt hatte. »Kamele sind tatsächlich politisch am korrektesten.« Verglichen damit war der Nachteil, die langsame Flucht nach der eventuellen Zerstörung des Ziels, ein recht erträglicher Preis.
Mouna kultivierte keinerlei romantische Vorstellungen von der Wüste. Sie hatte keine »Wurzeln« in sich, die so etwas wie den Ruf ihrer Ahnen oder Ähnliches spürten. Sie war in einer städtischen Kultur aufgewachsen. Ihre Vorfahren waren seit Jahrhunderten Kaufleute gewesen, bevor Palästina erst befreit und dann erneut Kolonie wurde. Sie redete sich ein, sich von irgendwelcher Schönheit oder Unendlichkeit nicht beeindrucken lassen zu können, sondern meinte, nur körperliche Beschwerden und Ziegengestank als die Essenz dessen zu empfinden, was die Reise durch die Wüste bedeutete.
Sie hatte sich am Ende mit den Unannehmlichkeiten eines Auftrags abgefunden, der darauf hinauslief, ein arabisches Ziel anzugreifen und zu zerstören. Zunächst hatte es ihr widerstrebt. Sie hatte die Libyer schon immer als rührende Wesen betrachtet, als so etwas wie arme Vettern vom Land, die lieb, ein bißchen dämlich und total ungebildet waren. Als Libyen 1951 frei wurde, hatten weniger als eintausend Personen im Land das Abitur. Einzige Einkommensquelle war der Verkauf von Eisenschrott aus dem Zweiten Weltkrieg; wären die gewaltigen Erdölvorkommen des Landes schon damals bekannt gewesen, wäre Libyen wohl nicht frei geworden. Über Bruder Moammar und sein wirres Grünes Buch, das den Sozialismus und den Kapitalismus gleichzeitig ersetzen wollte, konnte man Witze machen soviel man wollte, was die Palästinenser in der Regel auch gern taten. Dennoch stand fest, daß die Öleinnahmen in Libyen mehr zu Nutzen und Segen des Volks verwendet wurden als in irgendeinem anderen Land. Vielleicht war dies einer der Gründe dafür, daß Libyen Gefahr lief, das nächste arabische Ölland zu werden, das von korpulenten amerikanischen Generälen unter Hinweis auf eine neue Weltordnung überfallen wurde. Um das zu glauben, brauchte man kein mehr oder weniger paranoider Bruder Moammar zu sein. Mouna glaubte es auch.
Gerade deshalb war die Bombe im Augenblick unabweisbar die größte Bedrohung Libyens. Es war kristallklar und einfach. Eine amerikanische Invasion oder ein Großangriff war nur eine Frage der Zeit. Sofern sie jetzt die Bombe nicht fanden und zerstörten.
Sobald die Nachricht kam, daß die Operation durchgeführt worden war, sollte Abu Lutuf sich auf der Stelle in einem Taxi nach Tripolis begeben. Libyen war ja infolge dieser Geschichte mit der Bombe von jedem Flugverkehr abgeschnitten. Dort sollte er erklären, weshalb sich die PLO an etwas beteiligt hatte, was wie eine Attacke gegen Libyen aussehen konnte.
Das würde Abu Lutufs diplomatische Fähigkeiten auf eine harte Probe stellen, und deshalb war ihm so daran gelegen, daß keine Masse toter Libyer in dem Paket liegen durfte, das er überreichen sollte.
Mouna hatte natürlich ihre diesbezüglichen Befehle erhalten. Abu Ammar hatte sie persönlich beiseite genommen und ihr eingeschärft, daß dies wirklich eine ernste Frage sei.
Doch als Militär fiel es ihr schwer zu verstehen, wie die Operation sich ohne Gewalt durchführen lassen sollte. Außerdem ritt die Gewalt in Person ein paar Dutzend Meter hinter ihr.
Sie hatte Carl
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