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Der einzige Sieg

Der einzige Sieg

Titel: Der einzige Sieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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schwankenden Dromedar in der größten Wüste der Welt und war auf dem Weg ins absolute Nichts. Das war das einzige, was jetzt absolut wirklich war. Allerdings roch er stark nach Ziege. Das war natürlich auch wirklich.
    Carl hatte gegen einige wenige, jedoch wichtige Befehle verstoßen und genoß es geradezu. Wären da nicht die Schürfwunden auf der Innenseite der Schenkel und an den Hinterbacken gewesen, hätte er nichts als Frieden in sich gespürt. Er stellte sich gerade dieses Wort vor, Frieden.
    Nach der Ankunft in der Oase hatte er mit der palästinensischen Gespensterbrigade gehorsam die Antennen montieren lassen und mitgeteilt, sie seien jetzt wie geplant zur Stelle. Sie würden jetzt eine Reihe von Personen auswählen, Fahrzeuge ausrüsten und anderes. Carl hoffte, daß die Amerikaner mit ihren Satelliten nach Fahrzeugen Ausschau hielten.
    Wenn die Gruppe diese erste Nacht überstand, ohne entdeckt zu werden, wäre sie damit in der unendlichen Sahara verschwunden. In einigen Tagen würden sie nur noch Kamele und Beduinen in der Wüste sein, uninteressant für die Späher aus dem Weltraum. Carl war immer noch überzeugt, daß alles klappen würde. Die Genies im Pentagon würden sich nie vorstellen können, daß man per Kamel angriff. Oder per Dromedar, wie er sich beschämt korrigierte. Abdel Gamal war unglaublich stolz auf seine weißen Dromedare, die edelsten, schnellsten und schönsten aller Wüstentiere. Carl hatte den Lobgesängen entzückt gelauscht. Er sah oben an dem großen Sternenhimmel einen Satelliten passieren und zog den Kamelhaarmantel unbewußt enger um sich, als könnte man sonst unter der arabischen Kleidung die Tarnuniform sehen.
    Abdel Gamal. Das bedeutet Diener des Kamels oder vielleicht sogar Sklave, ein phantastischer Name für einen Beduinen und stolzen Eigentümer gerade dieser weißen Tiere. Carl hatte von Zeit zu Zeit ihren Kurs überprüft, und Abdel Gamal dort an der Spitze hielt exakt den gleichen Kurs, den die Elektronik anwies, obwohl er sich nur anhand der Sterne orientierte. Er selbst nannte es Instinkt oder Gefühl.
    Carl hatte einen Kassettenrekorder mit Kopfhörer sowie einige Kassetten mit Klaviermusik von Schostakowitsch und Erik Satie mitgenommen, bisher aber noch keine Lust verspürt, sie zu hören. Es lag andere Musik in dem weichen Knirschen der großen Fußballen der Tiere im Sand und in dem Knarren des Leders. Er stellte sich vor, auf diese Weise direkt in die Ewigkeit reisen zu können, daß alle Zeit aufgehört hatte, daß er sich irgendwann zu Beginn der Menschheitsgeschichte befand oder an deren Ende, daß die Schönheit, die ihn umgab, so sehr viel größer war als sein Auftrag.
    Er sorgte sich nicht einmal wegen des Tötens. Mouna hatte in Gegenwart von Zeugen Befehl erhalten, ihn und »den anderen Schweden« zu töten, wenn diese auch nur den Anschein erwecken sollten, zu übertriebener Gewalt greifen zu wollen. Doch all das waren nur Politiker-Worte. Mouna würde ihn nie töten, ebensowenig wie er sie. Wenn sie das Ziel erreichten – Carl hoffte beinahe, sie würden es nie schaffen, da er diese Reise bis in alle Ewigkeit fortsetzen wollte –, würden alle in Tunis gesprochenen Worte angesichts der handfesten Wirklichkeit zerbröseln.
    Er wechselte vorsichtig die Stellung, wobei ihm sein und Schwedens Chef einfiel. Was würde der Ministerpräsident wohl denken, wenn er ihn jetzt sehen könnte? Carl fand diese Phantasie ebenso aufmunternd wie ansprechend. Der Abgesandte von Rosenbad unter einem Haufen Araber, die nach Ziege stanken, außerdem Araber der schlimmsten Sorte, Palästinenser.
    Die Unendlichkeit dort oben gab ihm das Gefühl ein, daß die Zeit stillstand, daß er sich schon in der Ewigkeit befand, daß das christliche Himmelreich im besten Fall so sein konnte wie das hier, eine Reise durch die Nacht unter einem klaren Sternenhimmel. Unterwegs und dennoch nicht unterwegs.
    Er konnte nicht umhin, an die wichtigen Entscheidungen seines Lebens zu denken. Meist hatte er verloren. Anfänglich hatte er geglaubt, Schweden gegen eine imperialistische Großmacht zu verteidigen, die es jetzt nicht mehr gab. Er wollte Offizier werden, gern ein heldenhafter und tüchtiger Offizier, doch statt dessen war er Mörder geworden.
    Diese selbstverständliche Art, den Gedanken zu formulieren, traf ihn hart. Doch so war es. Als dieser Scheidungsanwalt bei seinem fingierten Verhör gefragt hatte, wie viele Menschen er getötet habe, war er ganz aufrichtig gewesen,

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