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Der einzige Sieg

Der einzige Sieg

Titel: Der einzige Sieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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So würde sich kein Taxifahrer je an den amerikanischen Touristen Charles Hamlon erinnern können. Der einzige Mensch, der sich an ihn würde erinnern können, war die picklige Empfangsdame des Hotels, die Carmen hieß. Das war unvermeidlich. Dagegen konnte er nichts unternehmen.
    Er hatte das Ziel ausgespäht. Das Hilton-Hotel war ein schrecklich steriler Bau aus Glas und Stahl mit einem zehn Meter hohen Glasdach auf schmalen schwarzen Metallsäulen vor dem Eingang. Ganz vorn unter diesem vorstehenden Glasdach hatte man ein weißes Doppelzelt mit abstrakten blauen Gestalten auf den Seiten aufgebaut. Die gesamte übrige Fläche war mit Seilen abgesperrt und wurde von Beamten der Guardia Civil mit Maschinenpistolen bewacht. Wer das Hotel betreten wollte, mußte folglich durch das Doppelzelt, in dem Polizeibeamte jeden mit Metalldetektoren und Röntgengeräten durchleuchteten wie auf einem Flughafen. Somit mußte es unmöglich sein, beispielsweise Handfeuerwaffen ins Hotel zu schmuggeln, was Mr. Hamlon vorzüglich ins Konzept paßte. Er trug nämlich keine sichtbare Waffe. Aus seinem Blickwinkel war es überdies ein Vorteil, wenn auch im Hotel niemand eine Waffe trug, ein bedeutender Vorteil.
    Er sah auf die Uhr und entdeckte widerwillig, daß es Zeit war. Er hatte einen gefährlichen Drahtseilakt vor sich. Er durfte nicht zu früh kommen und so allzuviel Aufmerksamkeit erregen, aber auch nicht das Risiko eingehen, zu spät zu kommen.
    Er duschte ausgiebig, rasierte sich langsam und legte sich dann eine Zeitlang noch halb naß auf das Doppelbett. Er lauschte dem Lärm aus den Cafés draußen auf der Straße. Dann stand er wieder auf und massierte sich eine Art Sonnencreme in sein rötlich verbranntes Gesicht. Im Grunde war es perfekt. Er sah aus wie ein Tourist, der aus dem verräucherten Detroit ins sonnige Spanien gekommen war und bei seinen Spaziergängen das Gesicht zu sehr der Sonne ausgesetzt hatte. Er schickte ein dankbares Gedenken zu seinem Dromedar, dem schönen, würdigen Tier mit den phantastischen langen Augenwimpern und den länglichen Nasenlöchern, die sich schließen ließen wie kleine Luken.
    Unsicher korrigierte er sich. War er Hamilton oder Hamlon? Wenn er Hamlon war, wußte er nichts von Dromedaren und war nie tief in der Sahara gewesen, denn schließlich war er gerade aus Detroit angekommen. Punkt, Ende.
    Dann korrigierte er sich erneut. Ein Tourist aus Detroit würde nicht tun können, was er vorhatte. Also wozu diese Spielerei mit der inneren Identität? Das Äußere war getarnt, das Innere nicht. Er war schließlich kein beliebiger gedungener Mörder.
    Er nahm ein dünnes Jackett aus dem Schrank, um sich ein klein wenig eleganter zu machen, ohne jedoch den Eindruck eines Sportlertyps in einer sportverrückten Stadt zu zerstören.
    Dann steckte er seinen falschen echten amerikanischen Paß mit dem frisch aufgenommenen Bild eines schwarzhaarigen kurzgeschorenen Hamlon ein und ging hinaus.
    Er brauchte eine halbe Stunde, um in gemächlichem Tempo zum Hilton zu schlendern. Unterwegs kaufte er eine nicht allzu geschmacklose Sonnenbrille, die im Grunde nicht viel bewirken würde. Bei seinem eigentlichen Job konnte er keine dunkle Brille tragen, denn das würde seinem Zweck entgegenwirken und überdies albern aussehen.
    Die Männer der Guardia Civil fanden an ihm natürlich nichts Verdächtiges, als sie ihn in dem Zelt vor dem Hoteleingang durchsuchten. Auf dem Weg durch die Halle trödelte er ein wenig, um mitten in einer Gruppe von Deutschen zu landen, die Konferenzausweise an ihren Revers trugen. Er klappte die Sonnenbrille zu und betrachtete die große und für den amerikanischen Geschmack selbstverständlich elegante Klavierbar. Die ganze Halle war eine Mischung aus Getränkebar und Einkaufszentrum. Er entdeckte schnell, daß einer der freien Tische in der Nähe des Eingangs ihm den besten Überblick ermöglichen würde.
    Er nahm ein paar Erdnüsse in die Hand und warf sie sich mit einem Ruck in den Mund. Diese Bewegung amüsierte ihn, da er sie noch nie im Leben über sich gebracht hatte. Dann studierte er neugierig das kleine Faltblatt, in dem alle Getränke der Bar verzeichnet waren. In seiner eigentlichen Identität hätte er vermutlich eine brasilianische Spezialität gewählt, vermutete jedoch, daß Mr. Hamlon etwas konventioneller dachte, und bestellte eine Bloody Mary.
    Er sah auf die Uhr. Das Treffen sollte in einer Stunde stattfinden, falls die Informationen von Herrn Hutchins, die

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