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Der einzige Sieg

Der einzige Sieg

Titel: Der einzige Sieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Disziplin er antreten oder was er für die Olympiade vorbereiten wollte, aber daß er Sportler war, erschien ihr selbstverständlich. Er bewegte sich so und sah auch so aus, und als sie ihm nun schon zum dritten Mal im Lauf von vierundzwanzig Stunden den Schlüssel aushändigte, riet sie erneut.
    »Ruderer, Mr. Hamlon, Sie sind natürlich Ruderer«, zwitscherte sie, entzückt über ihren neuen Einfall.
    »Ziemlich nahe dran, Miss, aber nicht ganz richtig. Versuchen Sie es noch einmal«, lächelte er, nahm seinen Schlüssel und war verschwunden.
    Sie überlegte eine Zeitlang, was dem Rudern verwandt sei. Kanu? Ja, die Schulterpartie dafür hatte er, und das enganliegende smaragdgrüne T-Shirt entblößte Arme von bedeutender Kraft. Aber war es nicht fast schon geschummelt, Kanufahrer zu sein und dann zu behaupten, Rudern komme dem nur nahe? Oder vielleicht nicht?
    Sie vergaß das Problem jedoch schon bald in dem Strom von Gästen, die ankamen und abreisten. Das Hotel Oriente war von jetzt an für volle zwei Monate ausgebucht. Es kam ihr vor, als hätten die Olympischen Spiele schon begonnen.
    Dieser Meinung war auch Carl. Draußen auf der Straße herrschte ein schrecklicher Lärm; das Hotel Oriente lag direkt an der Rambla, der traditionellen Paradestraße der Stadt. Hier wurde flaniert, hier kaufte man ein, hier lernte man Frauen kennen. Draußen auf der Allee lagen die Straßencafés dicht an dicht. Sie wurden erst gegen drei oder vier Uhr nachts geschlossen. Die Frühsommerwärme zwang Carl, die Fenster geöffnet zu lassen. Das Hotel hatte keine Klimaanlage, und folglich strömten Stimmengewirr und Lärm hinein.
    Er strich mit der Hand über die ungewohnt kurzen Haare. Der Haarschnitt ließ ihn unleugbar sehr amerikanisch aussehen, und die schwarze Haarfarbe machte sogar auf ihn selbst einen verblüffenden Eindruck. Er hatte sich noch immer nicht daran gewöhnt. Immer wenn er in einen Spiegel blickte, zuckte er zusammen. Was er da sah, war er, und dennoch war er es nicht. Er türmte im Bett ein paar Kissen auf, legte sich hin und schaltete den Fernseher ein. Es gab Sport auf allen Kanälen, und man zeigte ausschließlich spanische Teilnehmer einer Art Vor-Olympischer Spiele. Es war noch viel zu früh, einen Versuch zu unternehmen.
    Er blieb lange liegen und starrte blicklos an die Decke. Im Augenblick war er Charles Hamlon. Die Spur Mr. Hamlons würde sich mit Hilfe von Flugtickets bis nach Frankfurt und Detroit zurückverfolgen lassen. Sollte er aus diesem oder jenem unvorhergesehenen Grund sterben, würden die amerikanischen Behörden seinen Leichnam in die USA überführen und ihn als Hamlon ausgerechnet in Detroit irgendwo begraben, einer Stadt, in der er noch nie gewesen war.
    Früher oder später würde man auf dem internationalen Flughafen in Frankfurt ein bestimmtes Schließfach öffnen und darin eine Reisetasche finden, ferner Kleidung und einen schwedischen Diplomatenpaß, der auf einen Carl Gustaf Gilbert Hamilton ausgestellt war, der, von der nachweislichen Existenz des Passes einmal abgesehen, wie vom Erdboden verschluckt war.
    Er hatte Samuel Ulfsson nicht mitgeteilt, wo er sich befand oder womit er sich beschäftigte. Sam hätte dieses Wissen nicht zu schätzen gewußt. Tessie wähnte ihn in Tunis. Er hatte sie von einem Münztelefon aus angerufen und so getan, als halte er sich immer noch dort auf. Im Augenblick gab es ihn nur als Charles Hamlon, einen schwarzhaarigen kurzgeschorenen amerikanischen Touristen mit einem allgemeinen Interesse für Sport. Er war ständig in Bewegung geblieben, um nicht in Gesellschaft Fremder zu landen und niemandem zu begegnen, der lange genug mit ihm sprechen konnte, um sich später an ihn zu erinnern. Er bewegte sich wie ein Fisch in dem Meer ausländischer Touristen, die etwa die gleiche Kleidung trugen wie er selbst. Er trug Jeans und ein T-Shirt mit Kragen sowie eine alberne kleine Schultertasche mit einem Riemen. Die Tasche enthielt einige Toilettenartikel, die er in Barcelona gekauft hatte, ein paar Ansichtskarten und Kleingeld. An den Füßen trug er neue Adidas-Schuhe, eine Art Turbo-Modell mit aufblasbaren Luftkissen. Er war also ein netter Niemand aus Detroit, der sich sehr für Sport interessierte. Er trug nichts am Körper, was nicht entweder amerikanisch oder in Barcelona gekauft war.
    Er widmete sich eine Weile dem Studium des Stadtplans von Barcelona. Er mußte darauf achten, sich ständig nur zu Fuß zu bewegen, vor allem auf dem Weg zum und vom Ziel.

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