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Der eiserne Gustav

Der eiserne Gustav

Titel: Der eiserne Gustav Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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ihre flauen Gefühle … Und er verachtete sie tief für ihre Unfähigkeit, mit dem gewonnenen Gelde etwas anzufangen, rechtzeitig, wenn sie »wirklich reich« waren, auszusteigen, den Aufregungen der Börse zu entfliehen und ein Leben zu führen, wie er es sich schön dachte.
    Dunkel dämmerte es ihm wohl, daß diese Leute ganz anders waren wie er, daß sie nicht einmal Geschäfte machten, um reich zu werden, sondern um Geschäfte zu machen. Im Grunde waren sie Spieler – und wie alle Spieler waren sie ohne Hemmungen, ohne Bedenken, nur weiterspielen wollten sie.Er aber wollte reich werden, um reich zu leben. Er wollte sich schöne Dinge kaufen können, mit schönen Frauen leben, schöne Reisen machen. Seine ganze Jugend hindurch hatte er die Luft über einem Stall gerochen, er schauderte, wenn er daran dachte. Nie wieder arm sein, dachte er, sich nie wieder um Geld sorgen müssen!
    Vorsichtig fing er an, mit seinem Geld zu operieren. Er hinterlegte bei zwei, drei Maklern Beträge als Sicherheit und fing an, Kauf-und Verkaufsaufträge zu geben. Er war sehr ängstlich, er verlor nie das Gefühl, daß der Boden unsicher war, auf den er trat. Bankier Roest (den er übrigens auch mit seiner Kundschaft beehrte) hatte ihn in den ersten fünf Minuten richtig beurteilt: Am liebsten hätte er sein Geld fest in der Hand behalten, er wollte ohne Einsatz spielen!
    »Er wird erleben, der Nebbich!« lächelte Herr Roest bei sich und beriet den Kunden vorsichtig und behutsam. Er wußte, man muß die Vögel erst füttern, ehe man das Netz über ihnen zusammenziehen kann.
    Das ganze Frühjahr hindurch lag die Mark bedauerlich fest, ja, sie erholte sich sogar um fünfzig Prozent. Erich, der allein in der Markspekulation mehr zu wissen glaubte als die anderen, kam zu keinen Umsätzen. Unablässig, den ganzen März und April hindurch, lauteten die Telegramme aus Berlin: »Doras Befinden unverändert. Vater.« Unablässig blieb diese Cuno-Regierung dabei, die Mark zu stützen; die Baissiers erlitten kläglich Schiffbruch oder lagen schief.
    Ein paarmal wagte sich der ungeduldig werdende Erich an Franken-Spekulationen. Aber der Franken war unberechenbar. Erich gewann ein paar tausend Franken, blieb im Geschäft und verlor fünfzehntausend … Mitte Mai war er seinem Ziele ferner als Anfang Februar. Im ganzen gesehen hatte er Geld verloren, dazu war das Leben in Amsterdam sündenteuer.
    Um diese Zeit hatte Erich bereits die Gewohnheiten der Börsianer angenommen. Das Zimmer seines Hotels sah ihn nur ein paar Morgen-und Vormittagsstunden. Die ganzeübrige Tageszeit trieb er sich bei den Banken und Maklern herum, lauschte auf ihr Jargongeschwätz, fieberte den gekabelten Anfangskursen New Yorks entgegen (auch wenn er nicht beteiligt war) und versaß die Nächte in Cafés und Bars. Gegen seinen ursprünglichen Vorsatz hatte er sich keine feste Freundin genommen. Er begnügte sich mit den gelegentlich in einer Bar gefundenen Genüssen. Er war jetzt sechsundzwanzig Jahre alt und merkte schon, daß die Frauen an Reiz für ihn verloren – sie waren ihm nicht mehr wichtig. Viel wichtiger war ihm sehr gutes Essen, gute Weine (aber nicht im Übermaß). Er wurde rasch dick und noch rascher körperlich faul.
    Aber innerlich war er unruhiger als je, nur ein Gedanke hielt ihn besessen: Geld! Er wollte sein Geld wiederhaben, und er wollte den zwanzigfachen Betrag dazuverdienen. Daran dachte er unaufhörlich, darüber grübelte er die vielen Stunden nach, die er vor einem Kaffee saß, die erloschene Zigarre im Mund, warm von der Verdauungswärme.
    Er machte tausend Pläne – aber wenn ihm einer ganz sicher schien, schauderte er im letzten Augenblick vor dem Risiko zurück. Er schauderte vor der Armut zurück, er hatte einmal das geschmeckt, was er für Armut hielt, bei seinen Eltern, nie wieder! Er mußte sein Geld festhalten. Sein letzter Ausweg blieb immer der Freund in Berlin – wobei er nie ganz vergaß, daß dieser Freund vielleicht gar kein Freund mehr war, obwohl er ihm eine recht erhebliche Summe Geldes anvertraut hatte. Aber das konnte Falle gewesen sein.
    Im ersten Drittel Mai wurde ihm, als er gegen fünf Uhr morgens in seinem Hotel anlangte, gesagt, ein Herr warte bereits seit dem Abend auf ihn. Aus der Miene des Nachtportiers sah er, daß der Herr nichts Besonderes sein könne. Der Besucher, den er dann aus tiefem Schlaf in einem Sessel wachrütteln mußte, sah denn auch nicht nach viel aus: ein junger Bursche, mäßig gekleidet und

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