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Der eiserne Gustav

Der eiserne Gustav

Titel: Der eiserne Gustav Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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sich an und ging aus. Nein, diesmal fuhr er nicht, er ging zu Fuß, und er ging zu keinem Makler oder Bankier, er ging zu Fuß hinaus zum Rijks-Museum. Er wollte sich wenigstens noch die Rembrandts ansehen. Aber dieser 7. November, fast auf den Tag genau der Fünfjahrestag des Waffenstillstandes, war kein Glückstag für ihn: Das Museum war schon geschlossen. Ich werde morgen wiederkommen, dachte er. Die Rembrandts wenigstens will ich gesehen haben …
    Auf dem Rückwege zu seinem Hotel kam ihm eine Erleuchtung. Er schlug sich mit der flachen Hand vor den Kopf. Es war doch klar, hinter dieser ganzen Baisse steckte die deutsche Regierung! Sie wollte ihre Mark billig zurückkaufen, dann würde sie doch mit 420 stabilisieren! Und hatte ein Milliardengeschäft auf dem Rücken der Weltbörsen gemacht!
    Wie sein Vater sagte er: »Ich bleibe eisern! Ich liege schief, bis die Mark auf 420 geht! Eisern!«
    Sechs Tage lang, vom 7. bis zum 12. November, harrte er aus, der Dollar blieb in diesen Tagen unverrückt auf 630 Milliarden! Er erhoffte immer weiter eine Stabilisierung auf 420,der Freund hatte es ihm geschrieben. Da seine Hinterlegungen seine Verluste deckten, liehen ihn die Makler in Ruhe. Nur Bankier Roest sagte: »Se sollen so eisern sein, wie die Mark eisern ist! Ein verlorener Mensch sind Se!«
    Am 13. November wurde der Dollar mit 840 Milliarden notiert, genau mit dem Doppelten des Kurses, auf den Hackendahl gerechnet hatte. An diesem Tage wurde die Rechnung Erich Hackendahl von den Maklern glattgestellt, seine Hinterlegungen wurden zur Deckung seiner Verluste von ihnen eingezogen. Er lief von einem zum anderen, er bat sie, nur noch einen einzigen Tag zu warten, er schwöre es, die Mark werde mit 420 stabilisiert.
    Sie zuckten die Achseln, lachten … Roest sagte: »Gewinnen möchten se alle, diese kleinen Nebbichs, aber verlieren … Herr Hackendahl, seien Se’n Mann, Se haben noch ä schönes Auto, ä Brillantring, keine Familie – ich hab schon schlimmer dagestanden als Sie!«
    Immer wieder meldete Erich ein Telefongespräch nach Berlin an – erst gegen Abend bekam er den Freund am Apparat zu fassen. Aber schon am Klang der Stimme erriet er, daß nichts mehr zu hoffen blieb.
    Schön, daß Erich einmal anrufe … Wie es ihm gehe? Warum er so lange nichts habe von sich hören lassen? Was er denn in Amsterdam mache? – Ah! Die Geschäfte gingen schlecht? Soso, die Geschäfte gingen schlecht! Betrüblich – für Erich! Was das solle? Geschrieben? Telegrafiert? Aber was das denn für Scherze seien? Erich werde doch nicht auf irgendeinen Spaßvogel hereingefallen sein? Dafür sei er bestimmt viel zu klug! – Nein, bitte nicht diese Töne, aller Freundschaft ungeachtet! Briefe? Telegramme? – »Einen Augenblick, bitte, Erich …«
    »Hier spricht der Bürovorsteher. Jawohl. Herr Justizrat hat mich eben beauftragt, einer eventuell in Frage kommenden Zeugenschaft wegen, Ihre Beschwerde entgegenzunehmen. Sie wollen Briefe und Telegramme von Herrn Justizrat erhalten haben? – Herr Justizrat bittet mich, Ihnen mitzuteilen,daß er Ihnen niemals ein Wort geschrieben oder telegrafiert hat. Sein Name ist also mißbraucht worden – ach, die Briefe waren ungezeichnet? Aber was bringt Sie zu der Annahme …?«
    Aussichtslos. Erich hing ab.
    Eine ganze Nacht lang beschäftigte ihn der Gedanke an Selbstmord. Aber keine Methode schien ihm sicher genug und schmerzlos genug. Sicherheit und Schmerzlosigkeit mußten vereint sein. Und etwas den Wünschen Erichs Entsprechendes gab es da nicht.
    Die Auflösung seines Amsterdamer Hausstandes ging wesentlich schneller als die des Berliners. Er hatte nur sein Auto zu verkaufen. Soviel Geld er in Amsterdam auch zeitweilig besessen hatte, außer dem Auto hatte er nichts angeschafft. Diesmal brauchte er sich nicht vor dem Zoll zu fürchten: Wenn er auch noch recht gut ausgestattet war, neu wirkten seine Sachen nicht mehr.
    Mit drei Koffern, einem Herrenpelz, einem Brillantring und einer goldenen Uhr fuhr Erich Hackendahl wieder ab von Amsterdam – und mit einem glühenden Haß gegen den ehemaligen Freund im Herzen.
    Es war der 16. November 1923, der Dollar notierte auf 252 000 000 0000 Mark. Die Frage, auf welchem Kurs die Mark stabilisiert werden würde, war immer noch unbeantwortet.
    Das Wetter war grau, neblig, feuchtkalt, genau wie am Tage seiner Ankunft.
    Erst als Erich Hackendahl im D-Zug nach Köln saß, fiel ihm ein, daß er nun doch nicht dazu gekommen war, die Rembrandts

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