Der eiserne Gustav
werden. Es wurde schon viel von einer Goldwährung, ja, von einer Roggenwährung gemunkelt. Während die Mark den ganzen Oktober durch weiter fiel, in die Milliarden hinein, machte sich schon Unsicherheit bemerkbar. »Wann wird se stille stehn? Wird man rechtzeitig aussteigen?«
Erich dachte hundertmal daran. Er hatte das Aufgeben der Stützungsaktion vorher gewußt und hatte keinen Mut gehabt. Jetzt war die Partei des Freundes wieder an der Regierung beteiligt, er würde seinen Tip bekommen – und dieses Mal wollte er alles wagen! Wagen? Es war kein Wagnis. Der Freund war ein Freund, jeder Tip von ihm war goldrichtig gewesen. Ein einziges Mal wollte Erich mit der Mark in die Hausse gehen – dann wollte er sich zurückziehen! Er hatte sogar vor, mit dem Freunde anständig abzurechnen, er sollte zufrieden sein.
Im letzten Drittel Oktober wurden die Gerüchte, die Unsicherheit um die Mark immer größer. In Berlin war eine Rentenbank gegründet, wie würde man die Mark stabilisieren? Erich entschloß sich, einen Boten an den Freund zu senden. Er fand einen deutschen Kellner, der wegen Heimwehs nach Deutschland zurückkehren wollte (eine tolle Idee!), bezahlte ihm das Reisegeld und sandte ihn mit einem Zettel nach Berlin.
Am 1. November bekam er durch Boten den Bescheid, daß die Mark bei einem Dollarstand von 420 Milliarden stabilisiert werden würde. Der Dollar stand auf 130 Milliarden. Einen Tag, noch einen zweiten zögerte Erich … Dann, als am dritten der Dollar mit 420 Milliarden notiert wurde, entschloßer sich, unter Verfluchung seiner eigenen Feigheit, und legte sich mit allem, was er hatte, auf 420 Milliarden fest. Ging, Baissier, der er war, zum ersten Male in die Hausse.
»Gott soll Sie bewahren!« rief Roest. »Wie Sie rangehen! Ihr Geschrei werde ich hören, morgen!«
Herr Roest irrte sich, der 4. November kam und ging, und die Mark blieb fest. Erich triumphierte und zitterte doch noch. Am 5. wurde Herr Roest zweifelhaft. »Soll er recht gehabt haben, der junge Goi?! Er is mir empfohlen worden von Berlin! Soll man noch einsteigen? Noch is Zeit … Nei, nei, nei, ich steig nich ein, ich glaub nich an de Daitschen …«
Und er trocknete sich verzweifelt das Gesicht.
Auch am 6. November war die Mark aus Eisen, 420 Milliarden, darauf hielt sie sich. Erich berechnete seinen Gewinn, sein Vermögen. Wenn er eine halbe Million Goldmark für den Berliner Berater abzweigte, blieben ihm immer noch 23 Millionen Mark.
»Ich hab’s geschafft!« sagte Erich und schlief erleichtert ein.
Aber schon nach wenigen Stunden weckte ihn das Klingeln des Telefons. »Wo sind Se? Was schlafen Se?!« rief Herr Roest am Apparat. »Die Mark hat eröffnet schwach, der Dollar kommt mit 510, und der Mensch schlaft! Kaputt sind Se!«
Ganz leise legte Erich den Hörer auf den Apparat zurück. Er stand nicht auf, er blieb liegen in seinem Bett, ein Gefühl der Schwäche saß ihm in seinem Leib. Ich bin geschlagen, sagte er sich. Er hat mich reingelegt …
Und doch konnte er es noch nicht glauben. Alle diese Monate in einer gnadenlosen Hölle gelebt. Und wofür? Um alles zu verlieren! Es war unmöglich! Er rief einen Makler an, der Dollar kam schon mit 590 …!
»Kommen Se, sehen Se – die Mark wird hingemacht. Das ist eine Devise, die Mark – man kann sich erkränken!«
Aber er kam nicht, er rettete nicht. Er lag im Bett, sein weißes Fett zitterte, er hatte Angst … Er hatte genauso Angst wie damals im Schützengraben … Einmal dachte er: War ich damals mit ihm ins Café gegangen – wie stünde ich jetzt da!Doch das verging wieder, andere Gedanken kamen, er erinnerte sich, daß er gestern noch, vor zwölf Stunden noch, geglaubt hatte, er hätte es geschafft – dreiundzwanzig Millionen! Ihm fiel ein, was er hatte kriechen, gaunern und sich selbst verleugnen müssen, ehe er die ersten zwanzigtausend zusammengebracht hatte. Das werde ich nicht noch einmal fertigbringen, dachte er verzweifelt. Aber was dann …?
Für einen Mann wie ihn, für einen Mann, der gewesen war, was er gewesen war, war es unmöglich, in das Nichts zurückzukehren, in die Armut, in ein Angestellten-Dasein etwa. Was nun …?
Zweimal meldete er ein Telefongespräch nach Berlin an und zog es wieder zurück.
Der Bankier Roest beschwor ihn, zu kommen, zu retten, was noch zu retten war. Es wäre tatsächlich noch etwas zu retten gewesen, der Dollar war mit 630 Milliarden notiert, einen Teil seines Geldes hätte er sich wiederholen können.
Er zog
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