Der eiserne Gustav
Schlüssel, den wir noch verabreden werden, regelmäßig Weisungen zukommen lassen.«
Der Kellner brachte die bestellten Cobbler. Der Abgeordnete sagte mit leicht erhobener Stimme: »Die Stützung der Mark wird ja deine Aufgabe sein, lieber Erich!«
Beide Herren lächelten fein und rührten gedankenvoll in ihren Gläsern.
»Nein«, sagte der Anwalt noch einmal, »du kannst dir natürlich Brüssel ansehen. Aber Amsterdam wird das Richtige für dich sein, schon wegen des noch immer sehr lebhaften Deutschenhasses in Brüssel. Für Amsterdam könnte ich dir auch eine warme Empfehlung an einen Freund, den Bankier Roest, mitgeben …«
Der Umsatz an Getränken hielt sich diesmal in durchaus mäßigen Grenzen, doch übergab der Abgeordnete seinem jungen Freunde ein Paketchen zur Mitnahme nach Amsterdam, seine Beteiligung am Geschäft. »Für diesen Betrag gehe ich mit dir; du kannst über ihn verfügen, nach meinen Tips …«
Es war kein kleiner Betrag, aber der Anwalt blieb sanft und bescheiden. »Nimm mich eben mit bei deinen Geschäften, wenn es dir gut scheint … Nein, schon gut, eine einfache Quittung, ich habe sie bereits vorbereitet … Als Darlehen, das ist das einfachste … Was wir wegen Geschäfts-und Gewinnbeteiligung vereinbart haben, bleibt mündlich zwischen uns. Ich verlasse mich eben ganz auf dich … Wie du damit über die Grenze kommst …? Warte, warte …« Er versank in Nachdenken. Dann: »Verschiebe deine Reise noch um einen Tag, ich denke, es wird sich einrichten lassen, daß du als Sonderkurier des Auswärtigen Amtes reist – du verstehst: Diplomatengepäck.«
Wieder lächelten beide.
»Ich möchte diese Quittung aber doch erst absenden, wenn ich mit dem Geld über die Grenze bin«, sprach Erich bescheiden, aber fest.
»Wie du willst, lieber Erich, ganz wie du denkst. Du sollst keine Gefahr laufen. Ich verlasse mich ganz auf dich. Schließlich – du wirst meine Informationen über die Mark gebrauchen. Wir sind aufeinander angewiesen, nicht wahr?«
Diesmal sahen sie beide ernst aus, jeder dachte nach, schließlich nickte jeder. Ernst.
Dann verbreitete sich der Abgeordnete über die Aussichten des Ruhrwiderstandes und der Regierung Cuno. Die Regierung Cuno hatte seine Billigung nicht. »Sie wird fallen – was soll heute eine Regierung gegen die stärkste Partei, die Sozialdemokratie? Sie
muß
fallen!«
»Und der Ruhrwiderstand …?«
»Hat man einen Krieg verloren, darf man sich nicht zieren. Die Franzosen haben so viel verlangt, und wir haben ja und amen gesagt, da hätte man auch hierin nachgeben sollen! Auch der Ruhrwiderstand wird fallen!«
Was aber am stärksten fallen werde, das sei die Mark. Wie der Dollar heute stehe? Auf 42 000! Nein, er werde noch stehen auf 42 Millionen, auf 42 Milliarden – die Mark werde ins Bodenlose gewirtschaftet werden, mit der Mark sei es vorbei! Es handele sich nur darum, zu wissen, wann es mit ihr vorbei sei, wann man »fest« werden könne. »Ich werde dir telegrafieren, Erich! – Du wirst sehen …!«
Drei Tage später reiste Erich als diplomatischer Sonderkurier nach Brüssel ab. Es freute ihn ausnehmend, daß das Reich die Kosten dieser seiner Fahrt gegen die Mark bestritt. –
Es war ein trüber, grauer Februartag, als Erich in Amsterdam eintraf. Die Stadt mißfiel ihm, sie schien ihm eng, düster, überfüllt, lärmend. Die Grachten lagen tot, stinkend und neblig da. Auch das Büro des Bankiers Roest mißfiel ihm, drei enge, lichtlose, schmutzige Stuben im dritten Stock eines engen, schmutzigen, lichtlosen Hauses. Drei-, viermal ging er vergeblich, ehe Herr Roest ihn empfing.
Herr Roest war ein langer, bleicher, zappeliger Mann mit einer goldgefaßten Brille. Er bat seinen Besucher nicht, Platz zu nehmen. Er lief auf und ab, wobei er sich immer wieder das Gesicht mit einem großen, bunten Taschentuch abtrocknete …
»Wen schickt er mir da?« murmelte er. »Lauter Schnorrers! Ich habe keinen Platz auf meinem Büro! Nur noch Schnorrers gibt’s in Deutschland! – Gott, haben Se gehört, der belgische Franken is fest gewesen?! Wie Eisen, Ihnen gesagt! Und ich liege mit einer Million in der Baisse!«
Herr Roest starrte seinen Besucher entgeistert an, aber er sah ihn nicht. Er verbreitete sich noch länger, unter ständigem Abtrocknen des Gesichtes, über die Hinterlist der belgischen Regierung, die ein Fallen des belgischen Franken habe erwarten lassen, ihn aber heimlich stütze!
»Lauter Verbrecher! Die Kränke sollen se kriegen! Und
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