Der eiserne Gustav
Zustand«, hat sie ihm erklärt.
Als sie aber am Abend noch gegen das kleine Blinkfeuer auf der Düne zu gehen, drückt sie plötzlich seinen Arm fest an sich und sagt: »Heinz, bitte nicht erst Ende Juni fahren!«
»Nein?« fragt er. »Hast du doch ein bißchen Angst wegen ’ner Stellung?«
»Quatsch!«sagt sie. »Ich habe seinetwegen Angst. Nein, keine Angst. Aber es soll doch alles vorbereitet sein, wenn es kommt.«
»Logisch«, sagt er. »Fahren wir also Mitte Juni.«
Und schweigend gehen sie weiter.
Logisch, hat er gesagt, aber das war bloß eine Redensart. Er findet es komisch, wie das bei Frauen ist: So recht kann er nie verstehen, worüber Irma nachdenkt, wie sie zu ihren Ergebnissen kommt. Sie ist überzeugt, daß er eine Stellung bekommt, das fühlt er. Sie hat keine Angst wegen des Geldes, nicht im Traum denkt sie an Stempeln! Sie kennt überhaupt keine Lebensangst. Aber früher müssen sie doch fahren, damit das Kleine es ordentlich vorfindet. Das Kleine, das nichts von Ordnung weiß …
Eine komische Sache. Wenn es so anfängt, ist leicht auszurechnen, daß es so weitergeht: Was für die Eltern ordentlich genug ist, reicht noch lange nicht für das Kleine.
»Vor allem muß ich sehen«, erklärt Irma, »daß ich seine Babyausstattung fertigmache. Es wäre ganz schön, wenn du in deiner neuen Stellung ein bißchen mehr verdientest. Fünfzig Mark brauche ich bestimmt für die Ausstattung – ob du soviel für dein Radio kriegst?«
Sieh da, sieh da: Stempeln und Lebensangst, Rentenpsychose und Babyausstattung, höheres Gehalt und ohne weiteres verkauftes Radio – es kommt von allen Seiten! Und er hat Angst, daß er keine Angst hat …?! Er hat ja schon Angst, natürlich hat er Angst – was da alles kommen soll Und zwischen sich und dem dunklen Schicksal nichts, eigent lieh gar nichts – als den Glauben an sich, so ein Selbstvertrauen, auf berlinisch würde er zu sich sprechen: Die Sache wird schon schiefgehen, Heinz!
5
Und dann ging alles wundervoll glatt! Schon in Stralsund hatte sich Heinz Berliner Zeitungen gekauft, und während der Zug sie der verelendeten, hungernden Stadt immer näher brachte, studierte er Inserate.
»Das ist was für mich, Irma!« rief er und zeigte auf ein Inserat, durch das vom Bankhaus Hoppe & Cie. jüngere Buchhalter, energisch, gut aussehend, gesucht wurden. Vorzustellen nachmittags von drei bis fünf.
»Was du dir einbildest!« sagte sie natürlich. »Gut aussehend, energisch?!«
»Hoppe & Cie., nie gehört«, überlegte er nachdenklich. »Na, man wird ja sehen … Allen Dreck nehme ich auch nicht.«
Er war von einer wundervollen Ahnungslosigkeit. Und im Zaubermantel dieser Ahnungslosigkeit betrat er das Banklokal der Firma Hoppe & Cie. in der Krausenstraße. Wenn man einen Bankpalast gewöhnt war, hatte man vielleicht recht, die Nase über dieses verräucherte, schmutzige Lokal zu rümpfen. Wenn man freilich in diesen Tagen arbeitslos war, eine Stellung suchte …
»Stellung?« fragte der junge Mann hinter der Rampe. »Stellung? Längst alles besetzt. Sie sind wohl von gestern?«
»Ich komme von auswärts!« sagte Heinz, entschlossen, sich nicht imponieren zu lassen. »In den Seebädern haben wir die Berliner Zeitungen einen Tag später.«
»Ach, Sie haben in der See gebadet?« grinste der andere. »Und ick dachte, Sie hätten zu heiß gebadet, weil Sie so angeben.«
Beide lächelten sich vergnügt an.
»Na, was Angabe betrifft, sind Sie auch ganz tüchtig!«
»Muß man, Mensch, muß man! Hier in diesem Laden besonders! Sagen Sie mal, Sie kommen mir so bekannt vor! Sind Sie auch von …?«
»Natürlich. Versteht sich. Ausfuhrstatistik!«
»Gestatten, Menz! Erich Menz! Effekten!«
»Heinz Hackendahl …«
»Auch abgebaut so hoch von droben? Ja, hier ist alles besetzt. Schade, ich hätte gerne was für einen alten Kollegen getan.«
»Was macht ihr denn hier?« Heinz sah die fünf Männerchen im Schalterraum an, die ziemlich gelangweilt herumsaßen.
»Machen? Wir tun gar nichts …«
»Und da stellt ihr noch ein?«
»Nächsten Ersten soll es richtig losgehen. Da ziehen wir um, Friedrichstraße, piekfein! Schade, daß alles besetzt ist. Wir haben schon vorgestern Stücker hundert weggeschickt!« Plötzlich kam Leben in ihn. »Das ist der Olle, der da aus der Tür kommt. Quassel ihn einfach an, vielleicht klappt der Laden …«
Der Olle, der höchstens dreißig sein konnte, war ein sehr elegant gekleideter, ziemlich verlebt aussehender,
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