Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der eiserne Gustav

Der eiserne Gustav

Titel: Der eiserne Gustav Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
Vom Netzwerk:
der Wunsch, dem zu befehlen, der ihr befohlen hatte, den von sich abhängig zu wissen, von dem sie abhängig gewesen war. O nein, sie hatte nicht die Absicht, mit ihm herumzukommandieren, ihn die Macht der Tochter spüren zu lassen. So stark war ihre Rachsucht nicht, so kleinlich war sie auch nicht. Sondern es genügte ihr schon das Wissen: Er ist abhängig von mir, er arbeitet für mich – das hätte ihr schon genügt. Nur, er wollte nicht!
    Sie hat ihn immer weiter angesehen, während ihr dies halb klar durch den Kopf geht, und dabei hat sie rasch einen anderen Plan gemacht.
    Der Vater aber ist unter ihrem Blick ärgerlich geworden,so mag er sich nicht gerne ansehen lassen, zu allerletzt von der eigenen Tochter. »Nu mach man«, sagt er, »und jib mir mein Jeld! Viere fuff zig, ha’ick jesagt …«
    »Natürlich, entschuldige … ich überlegte nur …« Sie nimmt aus dem Schreibtisch Geld, gibt es ihm. »Bitte unterschreib die Quittung, ich muß das haben für die Patientin …«
    »Was hat se denn?« fragt der Vater, »’ne uralte Frau. Wird se wieder?«
    »Wer? Ach, die du gebracht hast! Ja, ich weiß nicht, ich glaube, es ist Krebs – nein, sie wird nicht wieder. Kaum. Sie hat auch lange genug gelebt, nicht wahr?«
    »Hoffentlich sagste das nich ooch mal uff mir, Sophie! Ick bin ooch bald siebzig.«
    »Auf dich? Wieso? Ach nein, Vater, du wirst noch lange mitmachen, ich glaube, du wirst uralt. Das eine muß man dir nachsagen, du hast uns eine eiserne Gesundheit mitgegeben. Kerngesund!«
    Ein ganz schwaches, ein klägliches Glücksgefühl durchrieselt den alten Mann: die erste kleine Anerkennung, die er von dieser Tochter hört …
    »Nun hör aber mal zu, Vater. Ich habe mir noch was überlegt …«
    Er macht eine abwehrende Bewegung, er will nichts von ihr, aber dann hört er doch zu. Sie setzt ihm auseinander, daß diese Klinik mit ihren achtzig Betten viele kleine Fuhren braucht: Gepäck von Kranken muß geholt und weggeschafft werden, Lebensmittel, Kohlen, Holz sind zu fahren – ständig gibt es etwas zu fahren.
    »Rollkutscher wer ick nich!« sagt er hartnäckig. »Ick bleibe Droschkenkutscher. Denn hätt ick lieber Auto fahren jelernt.«
    Aber sie gibt nicht nach. Sie wird mit ihren Ärzten reden – »mit meinen Ärzten«, sagt sie –, die Kranken sollen oft an die frische Luft, mit dem Auto ist das nichts Rechtes, entweder Zug oder eingeschlossene Luft. »Man müßte einen kleinen offenen Wagen anschaffen, es lohnte sich schon. Wir kämen aufunsere Kosten. Wir nehmen hier nur gutzahlende Patienten auf. Wir würden ihnen die einzelne Fahrt berechnen – und dir würden wir monatlich eine Pauschale geben. Es wäre wirklich kein Geschenk, Vater.«
    »Ick fahr Taxe«, sagt er hartnäckig. »Ick bin nie Lohnkutscher jewesen!«
    »Doch, Vater«, sagt sie rasch. »Ich weiß noch, vor dem Kriege hast du auch regelmäßig Kundschaft für einen Monatssatz gefahren.«
    »Det war mit der Taxe. Ick hab nie’n Lohnwagen jefahren. Höchstens zu Pfingsten mal’n Kremser.«
    Sie ist klug genug, ihn nicht zu drängen. »Nun, du kannst es dir ja überlegen. Es muß ja nicht heute sein. Ich will auch erst mit meinen Ärzten sprechen. Übrigens könntest du nebenbei weiter Droschke fahren – soviel wird es hier auch nicht.«
    Er geht, er verspricht, es sich zu überlegen, aber natürlich ist keine Überlegung nötig. Er will keine Geschäfte mit der Tochter haben. Sein Gefühl sagt ihm, daß das nicht gut gehen kann, wenn die Eltern von der Tochter abhängen, wenn die Tochter dem Vater Weisungen zu geben hat.
    (Er hat die richtige Witterung: Gerade, was sie lockt, stößt ihn zurück.)
    Und dann: Er will überhaupt nicht. Kranke in den Straßen spazierenfahren – ausgeschlossen! Er ist ein Droschkenkutscher, er ist das regelmäßige Klappklapp der Taxuhr gewöhnt, das Ziel, das er zu erreichen hat, das Warten an den Halteplätzen und den langsamen Schwatz mit anderen Kutschern und Chauffeuren … Er ist der eiserne Gustav – womöglich möchte die ihn noch in eine Livree stecken, imstande ist sie dazu!
    Er spricht gar nicht erst mit Mutter von der Sache, aber das hilft ihm nichts. Er hätte es wissen müssen, wenn Sophie etwas will, sitzt sie dahinter. Und gerade dadurch, daß er Mutter die Sache verschwiegen hat, ist sie schon dafür gewonnen.
    »Daß du mich nun nicht mal mehr fragst bei so was, Vater!« klagt sie. »Das hätte ich nicht von dir gedacht! Aber natürlich, so’n Mann zerbricht sich nie den Kopf,

Weitere Kostenlose Bücher