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Der eiserne Gustav

Der eiserne Gustav

Titel: Der eiserne Gustav Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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gestanden – als Verkäufer. Das ist etwas anderes. Takt, Herr Hackendahl, an Takt haben Sie es jedenfalls fehlen lassen. Wenn man aus öffentlichen Mitteln unterstützt wird, muß man immer daran denken, das öffentliche Ansehen zu wahren.«
    Diese lächerlichen drei grünen Meldezettel zu einem Groschen – sie hingen Heinz Hackendahl allmählich zum Halse heraus. Wenn er wieder auf so ein Büro bestellt wurde, sah er seinen Akt da liegen, er schwoll allmählich an, er wanderte zwischen den Abteilungen hin und her. Vielleicht hatte er auch schon die Polizei und Staatsanwaltschaft besucht und war nur noch nicht dick genug zur Eröffnung eines Verfahrens wegen Betrug.
    Schließlich kam es Heinz Hackendahl vor, als finge die Sache auch die Beamten zu langweilen an. Als befaßten sie sich nur mit ihr, weil der Akt eben da war, weil noch keiner den Mut gehabt hatte, »Verfahren eingestellt« darauf zu schreiben.
    Nein, wirklich, das hatte Heinz Hackendahl gelernt, daß er gar nichts war. Er war ein Körnchen unter Millionen. Es war ganz zufällig, wie ihn die Räder faßten. Ganz heil blieb keiner, der zwischen diesen Rädern war. Manche wurden nur wenig beschädigt, manche aber wurden völlig zermahlen, sie fielen als Staub, als Asche aus der Maschine. Es gab sie nicht mehr.
    Manchmal, wenn er über seine drei grünen Meldezettel nachdachte, fürchtete er, daß es mit ihm noch einmal so weit kommen, daß auch er eines Tages ganz zerrieben werden könnte. Aus der Zettelgeschichte war schließlich nichts geworden, sie schien eingeschlafen. Aber wenn er sich wirklich etwas hätte zuschulden kommen lassen, wenn er von der Schwester Sophie für seine Bücherdurchsicht ein Fünfmarkstück genommen hätte – zerrieben, Staub und Asche, vorbei!
    Lange litt er unter dem Druck. Es war eine sehr schwere Depression. Er wollte nichts mehr tun, kein Stück mochte er in die Hand nehmen, keinen Schuh mehr putzen, dem Jungennicht den Mantel anziehen, er wollte nichts mehr. Er war verurteilt, es war ein viel härterer Urteilsspruch über ihn verhängt als über jeden Verbrecher. Der Verbrecher durfte, ja, er mußte in seiner Zelle arbeiten. Etwas entstand unter seinen Händen, und wenn es bloß eine Kokosmatte war oder ein Einholnetz.
    Er aber ging umher in der Welt, und alles war ihm verboten. Er durfte nichts tun. Er hatte Kräfte, einen Verstand, aber es war ihm verboten, seine Kräfte zu erproben, etwas zu vollbringen. Er durfte mit seinem Verstand nur grübeln, nichts weiter. Ausgeschlossen vom Leben, warte, bis du stirbst, wir geben dir gerade so viel, daß du noch länger warten kannst, noch ziemlich lange – auf dein Sterben. Dieses Warten, das ist deine Beschäftigung!
    Die Schwiegermutter, Irma, die weinerliche Mutter, auch der Vater versuchten, ihn aufzuheitern, ihn in Bewegung zu setzen.
    »Mach doch los, Heinz, sei nicht doof. Am Sonntag fahr ick dir und deine Familie een bißken ins Jrüne. Der Blücher freut sich ooch, wenn er mal wieder wat richtijet Jrünet zu sehen kriejt, nich bloß die jrünen Bänke uff ’n Kaiserplatz!«
    »Ja, die Bänke – hast du gelesen, Vater, die sollen jetzt auch für Arbeitslose verboten werden. Es ist eine Eingabe gemacht, wir lümmeln uns da bloß rum und nehmen anderen den Platz weg!«
    Nichts zu machen – fast ein Tick schon, eine fixe Idee …

Achtes Kapitel

Die Fahrt nach Paris

1

    Zuerst war es weiter nichts, als daß der alte Hackendahl am Bahnhof Wannsee Neugierige in schwarzen Massen sich drängen sah. Fahnen wehten, die neue deutsche und die französische Flagge, Militär war da, Musik spielte, und nun stieg auch noch ein Redner auf das Pult und redete …
    Gustav Hackendahl konnte das alles von seiner Droschke ausgezeichnet sehen. Er sah auch das Frauenzimmer im schwarzen Reitdreß, das auf einem Braunen saß. Das Frauenzimmer schien, wenigstens so aus der Ferne, nichts Besonderes, aber der Braune sah gut aus.
    Een hübschet Pferdchen, dachte Gustav. Ville zu schade für so ein Frauenzimmer. Det wär wat vor meene Droschke.
    Bei einem Taxichauffeur holte er Nachrichten ein. »Wat is denn los?« fragte er.
    »Na, Justav«, sagte der Chauffeur, der ihn natürlich, wie alle Berliner Chauffeure, kannte. »Du kommst wohl immer mehr vom Monde! Das ist doch die, die von Paris rüberjeritten is, uns zu besuchen. Ja, det hat se gemacht, immer auf dem Zossen. Der Zosse hätte ich nicht sein mögen, und der ihr Hinterster hätte ich ooch nich sein mögen. Aber nu haben sie’s

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