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Der eiserne Gustav

Der eiserne Gustav

Titel: Der eiserne Gustav Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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seiner Fahrt in die Klinik.
    Dann stiegen Vater und Sohn aus, sie gingen langsam zurück, sie blieben vor den Läden stehen, sie hatten Zeit. Kindliches Geschwätz, die kleine Hand vertrauensvoll in der großen – eine gute Sache, eine fromme Täuschung –: Das Kind weiß ja noch nicht, daß der Vater nicht gleich hinter dem lieben Gott kommt, daß er bloß ein Erwerbsloser ist, ein Ausgestoßener, ein Paria. Wie sehr Paria, das sollte ernoch erfahren, auch das sollte ihm nicht erspart bleiben. Als er seine Karte zum Stempeln hingibt, sieht der Mann auf einen Zettel, dann in Hackendahls Gesicht.
    »Herr Hackendahl? Sie möchten doch mal auf Zimmer 357 kommen.«
    Also geht Heinz Hackendahl auf Zimmer 357. Wenn ihm hier so etwas gesagt wird, so tut er es. Er ist nur einer von Tausenden, kein Menschenschicksal, kein Einzelmensch mehr. Er hat sich längst abgewöhnt, hier auf irgend etwas persönlich zu reagieren. Aber diesmal ist er doch persönlich gemeint.
    Am Schreibtisch sitzt ein dürrer, gelblicher Mann. Der hat ja einen komischen Kopf, denkt Heinz. Das ist mal richtig, was man eine Birne nennt …
    »Sie heißen Heinz Hackendahl, das und das, erwerbslos seit dem und dem, wohnen dort und dort, stimmt alles?«
    Jawohl, alles stimmt – nur, daß ihm kein Stuhl angeboten wird, obwohl einer dasteht, das stimmt nicht. Aber es lohnt nicht, sich wegen so etwas aufzuregen. Hier muß man sich über nichts aufregen.
    »Was ist denn das für ’ne Wohnung, die Sie haben?« fragt Birnenkopf. (Natürlich bekommt man eine Abneigung gegen solchen Kopf, wenn man so dämlich gefragt wird. Sonst fände man den Kopf bloß spaßig …) Heinz Hackendahl denkt, daß er nach seiner alten Wohnung gefragt wird, daß die Verwaltung sich wegen des Mietrückstandes beschwert hat. Aber der ist jetzt bezahlt, und das setzt er auch auseinander.
    »So«, sagt Birnenkopf. »Mietschulden haben Sie also auch, und nun können Sie die bezahlen. Von was haben Sie die denn bezahlt?«
    Natürlich wird einem bei solcher Fragerei langsam warm; Heinz Hackendahl sagt, daß er leider kein anderes Einkommen hat als seine Erwerbslosenunterstützung, und von der habe er eben den Mietrückstand bezahlt.
    »Schön«, sagt Birnenkopf. »Früher reichte also die Unterstützungnicht zur Miete, und jetzt reicht sie. Wie kommt das?«
    »Weil wir jetzt keine Miete bezahlen, weil wir bei der Schwiegermutter wohnen«, erklärt Heinz.
    »Na ja, schön. Sie wohnen bei der Schwiegermutter. Für umsonst. Und was machen Sie da?«
    »Nichts.« (Das ist es ja leider gerade, daß er da nichts macht.)
    »So – gar nichts?«
    »Nein, was soll ich denn da sonst machen?«
    »Und plötzlich haben Sie so viel Geld, daß Sie Ihre Mietrückstände bezahlen? Hat Ihnen Ihre Schwiegermutter vielleicht das Geld gegeben?«
    »Nein, die kommt grade mit Ach und Krach durch, mit ihrem kleinen Papiergeschäft.«
    »So, sie hat ein Papiergeschäft? Da helfen Sie ihr wohl manchmal?«
    »Nein.«
    »Überlegen Sie sich Ihre Antwort lieber. Arbeiten Sie in dem Papiergeschäft mit?«
    »Nein.«
    »Und bekommen Entgelt dafür?«
    »Nein.«
    »Das Entgelt braucht ja nicht bar gegeben zu werden, es kann auch in freier Wohnung und Essen bestehen, nicht wahr?«
    »Nein. Ich gebe meinen Anteil zu allem.«
    »Und können trotzdem Mietrückstände bezahlen.«
    »Ja. Weil nämlich ein gemeinsamer Haushalt billiger kommt als zwei getrennte.«
    »Und Sie wissen bestimmt, daß Sie nicht im Laden arbeiten?«
    »Ja, das weiß ich.«
    »So. Das Verbot der Schwarzarbeit ist Ihnen natürlich bekannt?«
    »Jawohl.«
    »Sie wissen, daß Sie keinerlei Nebenarbeit gegen Entgelt verrichten dürfen?«
    »Das weiß ich. Ich habe auch nie …«
    »Und daß das Entgelt natürlich auch in Sachleistungen bestehen kann, wie zum Beispiel einer Wohnung?«
    »Ich habe nie …«
    »Die Strafbestimmungen sind Ihnen auch bekannt? Nicht nur Entziehung der Unterstützung, sondern auch Strafanzeige wegen Betruges …«
    »Ich habe nie …«
    »Sie haben laut hier vorliegender Anzeige am 5. dieses Monats, nachmittags gegen 6 Uhr, dem Anzeigenden drei polizeiliche Meldescheine für zehn Pfennig verkauft. Sie waren allein im Laden. Der Anzeigende ist bereit, seine Angaben zu beeiden. – Nun?«
    »Das ist ja lächerlich … So was ist ja hundsgemein! Und auf solche Denunziation geben Sie was? Da bestellen Sie mich feierlich her …!«
    »Wenn Sie sich ausgeschimpft haben, antworten Sie vielleicht präzis. Geben Sie zu, daß die Angaben

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