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Der eiserne Gustav

Der eiserne Gustav

Titel: Der eiserne Gustav Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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die Fahrt nach Paris, das war mehr eine Sache, am hellen Tage darüber nachzudenken. Jetzt in der Nacht dachte er mehr an Vergangenes, Geglücktes und Mißglücktes, an die Kinder, an Pferde, die er gehabt hatte, an Kutscher, die für ihn gefahren waren, an den alten Rabause. An die Militärzeit, an Unteroffiziere und Rekruten – er kann sich auch noch an viele Dinge in seinem Heimatdorf erinnern, aus dem er nach Pasewalk kam. Das Dorf hätte er gern einmal wiedergesehen; er überlegt, ob es sich nicht so einrichten läßt, daß er durchkommt, wenn er nach Paris fährt. Aber es wird sich kaum so einrichten lassen, denkt er, es liegt zu nördlich …
    Es ist komisch mit so einer Wohnung, in der man Jahre gelebt hat: Man kennt sie wie einen Anzug, den man lange trug. Steckt nur irgend etwas in einer falschen Tasche, es zwängt und drängt so lange, bis man es richtig gesteckt hat. Der alte Hackendahl liegt in seinem Bett, es ist dasselbe Bett wie sonst, dieselbe Frau hat es ihm gemacht. Er liegt auch sonst um diese Stunde wach, aber es ist irgend etwas, er weiß selber noch nicht, was … Die Wohnung zwängt und drängt ihn, sie macht ihn unruhig …
    Er denkt nun nicht etwa an den Zigarettengeruch neulich oder daran, daß Mutter plötzlich nicht mehr mit dem Gelde auskommt, nein. Er ist ohne Verdacht, aber er ist unruhig – komisch ist das!
    Eben hat einer gehustet, nicht eigentlich gehustet, mehr angestoßen, wie man im Schlaf mal anstößt, um die Kehlesauber zu machen. Es klang genau wie hier in der Wohnung, etwa in der Kammer, wo Heinz früher geschlafen hat …
    Es kann natürlich unmöglich in der eigenen Wohnung gewesen sein, aber ohne weiter zu horchen, ohne zu überlegen, faßt er seine Frau bei der Schulter, schüttelt sie und ruft: »Du, es is wer in der Wohnung!«
    Die Frau ächzt, aber dann sagt sie rasch: »Was du dir einbildest, Vater! Du hast geträumt! Wer soll denn Fremdes in der Wohnung sein?«
    »Es ist wer in der Wohnung!« wiederholt er hartnäckig. »Ick spür det doch! Wer is in der Wohnung?«
    »Aber, Vater, du träumst ja! Hier ist keiner! Wer soll denn hier sein? Bei uns ist doch nischt zu holen!«
    »In Heinzens Schlafkammer«, sagt er hartnäckig. »Ick weeß det, als ob ick es sehe. In Heinzens Schlafkammer is eener!«
    Und er tastet nach den Streichhölzern, um die Kerze anzubrennen.
    »Vater, Vater, mach uns doch nicht unglücklich! Ja, es pennt einer bei uns. Ich hab’s ihm erlaubt, laß ihn pennen, ich schick ihn morgen weg. Oder ich geh gleich, laß
mich
gehen, ich schick ihn gleich weg, Vater …«
    Sie weint, sie weint … hält ihn fest … Aber Hackendahl hat es jetzt nicht mehr eilig aus dem
    Bett. »Wen haste denn da in Heinzens Schlafkammer, Mutter, von dem ick nischt wissen soll, den ick nich sehn soll? Wer is denn det wohl, Mutter?«
    »Das is’n Schlafbursche, Vater, ich weiß nich mehr, was er macht. Es is ja bloß, daß ich’n paar Groschen in die Hand kriege, weil das Geld nicht mehr reicht. Darum habe ich das gemacht, Vater!«
    »Du sohlst ja, Mutter! Det hör ick doch! Denkste, det höre ick nich, wenn du sohlst? Det ha’ick schon jehört, wie de von Jasmann und Zijarette jeredet hast, det war ooch jesohlt – bloß ick habe nich dran jedacht.«
    »Es ist wahr, Vater, es ist bloß ein Schlafbursche …«
    »Wejen Schlafbursche würdste mir nich ansohlen, Mutter,wejen Jeld alleene haste mir noch nie belogen. Immer bloß wejen deine Kinder, mit deine Kinder haste immer Durchstechereien hinter meinem Rücken jemacht. Ick weeß jut, wer da pennt …«
    »Vater, geh nicht hin. Tu mir die eine Liebe, geh nicht hin. Laß ihn schlafen, er braucht Schlaf, er ist ganz hin …«
    »Wovon is er denn janz hin? Wat hat der feine Knochen denn, det er bei Muttern in so’ne Kabache unterkriecht, wo er sonst nur in de feinsten Hotels pennt …?«
    »Nichts, Vater! Laß ihn schlafen. Ich sehe, daß er schnell wegkommt. Nächste Nacht haut er ab, ich versprech dir das, Vater!«
    »Zu wat denn in de Nacht? Wat hat er denn nu wieder ausjefressen?«
    »Ich weiß es doch nicht, Vater. Ich frag ihn nicht. Er ist mein Kind, ich stoß ihn nicht zurück, wenn er kommt! Soll er sich hier ausruhen! Ich will nicht wissen, was er anderen getan hat. Was er mir getan hat, das habe ich lange vergessen.«
    »Ick habe keene Bleibe für jetürmte Verbrecher. Er is immer ein Bescheißer jewesen, er wird dir ooch bescheißen, Mutter!«
    »Und wenn auch! Soll er doch, Vater, das macht mir nichts. Ich

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