Der eiserne Gustav
will mir was einfallen …«
Der junge Grundeis setzte sich, bestellte sich flüsternd auch ein Pils und sah achtungsvoll auf den großen Mann, der jedenfalls jetzt nicht nach glücklichem Mann aussah, denn sein Gesicht wurde immer trübseliger. Allmählich fing der Dicke immer mehr zu stöhnen an, er rutschte hin und her auf dem Stuhl, wischte sich die Stirne ab, ächzte, warf was von seiner Zigarrenasche ins Pils, wollte es wieder herausfischen und vergaß es, weil er das Notizbüchel aus der Tasche riß …
Groß, ferne und unendlich einsam sah er den jungen Grundeis an, fing an zu kritzeln, hielt inne, sah ihn noch einmal an und steckte das Notizbüchel wieder in die Tasche …
»Ich dachte, es war was«, sagte er. »Aber es war nichts. Es fallt mir nichts ein, an einem Donnerstag fallt mir nie wasein, und in diesem Beisel schon gar nicht!« Mißgünstig betrachtete er das Bierstübel. »Wenn ich nur immer wieder hierhergehe, wo mir nichts einfallt? Der Mensch ist sich selbst das größte Rätsel. Hast du die Asche in mein Pils getan, Windhund? Was willst, schieß los!«
Worauf Grundeis vom alten Hackendahl erzählte, seinen Plan und seinen eigenen Sorgen, daß er die Sache auch selbst behielte.
»Die Sach«, sprach das Legehuhn, und es klang, als hätte er schon zehn Jahre darüber nachgedacht, »mußt ganz klein beginnen, mit bloß ’ner Notiz. Und fahren laßt deinen Fiaker zum ersten April, oder zum zweiten April, daß du immer sagen kannst, es ist ein Aprilscherz gewesen, wenn’s die Leut nicht fressen. Fressen’s aber die Leut, kannst größer drangehen, und schmeckt’s ihnen noch immer, kannst in Paris groß rangehen, kommst auf die erste Seit, mit Schlagzeile und eigenem Photo … Und das ist ja immer euer innigster Herzenswunsch, daß ihr euch selber im Bild seht in eurem eigenen Blattel, wo ihr so viel Bilder von ehrlichen und unehrlichen Leuten reinbringt …«
»Sie meinen also, man soll’s machen? Es ist was dran?« fragte Grundeis.
»Du Lackl, meinst, ich versäß hier die Zeit mit dir wegen Windeiern?! Komm, zahl die Zeche, das wird dich lehren, mich um Rat fragen! Sieben Pils und vier Zigarren hab ich gehabt. Komm, jetzt gehen wir zum Direktor und lassen uns das Geld bewilligen …«
Zu zweien gingen sie weiter, zurück in das Zeitungshaus, zum Direktor Schulze. Das war der Mann, der alle Gelder zu bewilligen hatte, und wie ein böser Höllenhund saß er über seinen Schätzen. Der reizendste Einfall lockte ihm kein Lächeln ab, immer jammerte er: »Aber, meine Herren, das ist doch nichts für die Provinz! Wir verlieren den ganzen Absatz in der Provinz. Da steck ich kein Geld rein!«
Schlug man ihm aber was anderes vor, so schrie er: »Det is doch nischt für meine Berlina, da kenn ick doch meine Berlinabesser, und Hamburch geht auch nicht mit. Ja, Geld ausgeben ist leicht, und Geld verdienen noch leichter, aber Geld zusammenhalten, das ist die Kunst, meine Herren!«
Zu diesem bitteren Skeptiker gingen also die zwei, das Legehuhn und Grundeis. Grundeis allein wäre ja nie in das Heiligtum von Direktor Schulze gelassen worden, dafür war er viel zuwenig. Aber das Legehuhn genoß hier großes Ansehen, und so schlüpfte Grundeis mit durch.
»Direktorchen«, sprach das Legehuhn. »Der rote Windhund hier hat ’ne Idee geschnappt grade fürs Frühjahr, wenn’s warm wird und die Leute die Zeitung abbestellen, und sie wird über den ganzen Sommer reichen …«
»Reden Sie nicht«, sagte der Direktor. »Ich kenn Sie doch! Sagen Sie, was die Idee kosten soll!«
»Hunderttausend Mark, brutto für netto«, sprach das Legehuhn kühl, und Grundeis steckte sich rot an, denn mit mehr als fünftausend hatte er nie gerechnet.
Direktor Schulze beobachtete argwöhnisch die Gesichter. »Hunderttausend Mark«, sagte er mißbilligend. »Haben Sie überhaupt schon mal hunderttausend Mark auf einem Tisch gesehen?«
»Nein, aber auf einem Scheck, Direktorchen, wissen Sie nicht mehr, die Filmrechte aus Amerika?«
»Daß Sie immer mit Ihren kleinen Erfolgen protzen müssen! Für achtzigtausend Mark wird’s auch zu machen sein.« Wieder sah er die Gesichter an. »Ich bin sogar überzeugt, es geht auch für siebzig.«
»Sagen’s fünfundsiebzig. Direktorchen, und ich erzähle Ihnen den Quatsch …«
»Ich sage gar nichts. Erst will ich hören, und dann muß ich die Herren Direktoren befragen, und dann den Aufsichtsrat, und dann die Chefredakteure. Und was soll überhaupt der junge Mann
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