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Der eiserne Gustav

Der eiserne Gustav

Titel: Der eiserne Gustav Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Darf ick nich tun, wat ick will? Ha ’ick dir jehindert, deine Dummheiten zu machen?! Ick weeß ’ne Zeit, da biste imma in ’ne jewisse Villa jeloofen, janze Nächte biste fort jewesen – ha’ick dir an deine Dummheiten jehindert? Laß du mir meine machen!«
    Er funkelte den Sohn zornig an. Er war wieder der alteHackendahl, der aus der Kaserne, der vom Fuhrhof, weder Zeit noch Alter hatten ihn zu Brei schlagen können.
    »Ick blamier die Familje? Ick weeß andere, Jeschwister von dir, die haben de Familje janz anders blamiert, die haben den Namen in ’nen Dreck jezogen. Ick weeß, Bubi, du bist nicht schuld dran, du bist ’nen anständijer Kerl. Aber hinjeloofen biste ooch nich zu deine Jeschwister und hast se anjeschnauzt: ›Laßt eure Dummheiten, ihr blamiert mir!‹ Det machste bloß bei deinem Vater!«
    Er sah den Sohn an und schüttelte den Kopf.
    »Steh nich so, Bubi! Wat soll denn det?! Laß ’nen ollen Mann doch det Vajnüjen. Wenn de Leute über mir lachen, dir muß et doch nich weh tun.«
    Der Sohn sah vor sich hin, halb bezwungen. »Na, Vater«, sagte er endlich.
    »Siehste, Bubi, ick weeß doch, du bist ’nen vanünftiger Kerl. Und nu tu deinem ollen Vata mal wirklich ’nen Liebes dienst. Jeh ruff zu Muttern und puhl ihr det sachte bei mit meine Reise. Se ahnt wat, aber sie weeß noch nischt Jewisset Na, mach schon. Uff dir hört se doch am liebsten. Sei ma nett, Bubi, wat?«

7

    Und aus dem Februar wurde der März, und näher zog schon der April, und alle hatten Zeit genug, sich an den Gedanken zu gewöhnen, daß der alte Vater noch eine weite Reise tun wollte. Es kam ihnen ganz unwahrscheinlich vor, denn der eiserne Gustav ließ sich nicht das geringste vor Reisefieber anmerken. Er kletterte alle Tage wie sonst auf den Bock seiner Droschke und mühte sich, sein tägliches Geld zusammenzufahren.
    Nur den neuen Gaul, den er aus unbekannten Gründen »Grasmus« getauft hatte, sah er manchmal bedenklich an. »Ick weeß nich«, sagte er dann wohl, »is ja’n janz schönet Pferdchen, ooch willig, aber zweitausend Kilometer – so in eine Tour weg, ick weeß nich …«
    Und er tastete ihm die Beine ab, immer wieder sorgenvoll das Haupt schüttelnd.
    Dann, im März, sah es doch so aus, als sollte aus allem nichts werden. Denn der alte Hackendahl wurde krank, zum erstenmal in seinem Leben wurde er wirklich krank. Er bekam die Grippe. Natürlich hatte er so lange abgestritten, daß ihm auch nur das Geringste sei, bis er einfach nicht mehr konnte. Mit vierzig Grad Fieber lag er im Bett, klapperte mit den Zähnen und stöhnte: »Det mir det passieren muß! Nie krank jewesen und nu jrade jetzt, wo ick de erste Reise in meinem Leben vorhabe! Aber ick jebe nich nach! Ick lasse mir nich rinlejen! Mutta, jib mir noch mal von dem Tee! Wat kann ick noch tun? Ick will allens tun, wat sin muß – bloß, ick muß nach Paris! Det hat doch sonst allens keenen Zweck jehabt, wenn ick nich nach Paris komme!«
    In dieser Krankenzeit bekehrte er sie alle. Wenn es ihm noch so jämmerlich ging, er wollte nach Paris …
    »Heinz, bewegste den Zossen ooch jut? Sag dem Fleischer, er soll’n ruhig mal mit anspannen, wenn er uff ’n Schlachthof fährt. Grasmus darf keene steifen Knochen kriejen. Jott, wenn ick nu doch nich nach Paris komme!«
    »Du kommst nach Paris, Vater, bestimmt kommst du nach Paris!« sagte sogar die Mutter, die entsetzt gewesen war beim Gedanken an diese Fahrt.
    »Na, Rotkopp«, grinste der Alte, aus Fieber, Frösteln und Schweiß. »Wat, nu jeht Ihnen der Jewisse mit Jrundeis? Wat?! Na, lassen Se man, in meinem janzen Leben, wenn ick wat jesagt habe, denn ha’ick det jesagt. Darin bin ick immer eisern jewesen. Sie wissen ja, eiserner Justav …«
    »Wir könnten vielleicht eine kleine Notiz bringen«, sagte Grundeis kläglich, »daß Sie krank geworden sind und ein bißchen später fahren, was meinen Sie?«
    »Ach wat, später! Für so’n ollen Mann jibt’s kein Später. Wat de tun willst, tue jleich! Ick fahre – uff Tag un Stunde, det sare ick Ihnen!«
    »Aber es sind nur noch drei Wochen!« stöhnte der Unselige.
    »Drei Wochen – det is et ja jrade! Bin ick in eene Woche krank jeworden, wer ick doch woll in drei Wochen jesund wern! Det war ja noch schöner! Weene man nich, Mutter! Weene nich, gräm dich nich, in Paris, da siehste mich nich!«
    Und der Alte legte sich höchst zufrieden in seine Kissen zurück, lächelte und schlief ein.
    »Das wird nie was im Leben!« stöhnte der rote

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