Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der eiserne Gustav

Der eiserne Gustav

Titel: Der eiserne Gustav Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
Vom Netzwerk:
dabei?«
    »Der ist die andere Bedingung; wenn der die Sache nicht in die Finger kriegt, wird nichts draus.«
    »Siebzigtausend Mark und so’n junger Mensch! Haben Sie schon mal siebzigtausend auf einem Tisch gesehen?«
    »Doch ja!« sagte Grundeis. »Sogar in der Tasche gehabt – nämlich in der Inflation.«
    Ein bleiches, mattes Lächeln erschien auf den Gesichtern der beiden Abgebrühten. Es war, wie wenn die Sonne für einen Augenblick aus einem Schneehimmel schaut. Es war. wie wenn ein Säugling nach endlosem Brüllen endlich an die Brust gelegt wird und in sein Brüllen mischt sich ein erstes fernes Lächeln …
    »Na, reden kann man ja mal über die Sache«, sagte Direktor Schulze. »Setzen Sie sich doch, meine Herren. Zigarre? Na schön! Hoffentlich ist es was mit Liebe – Liebe ist jetzt wieder sehr gefragt.«

6

    Aus dem alten wurde ein neues Jahr, der Januar wurde zum Februar, der alte Hackendahl ging umher wie sonst, fuhr Droschke, saß bei seinem Blücher und sah ihm beim Fressen zu, brachte etwas Geld nach Haus, wenig oder gar nichts, ganz wie sonst – und sagte kein Wort.
    Jetzt hätte er schon mal den Mund auftun und von seiner großen Plänen und Absichten sprechen können, es war alles bestens geregelt mit den Herren im Zeitungshaus, und er hatte sogar einen Vertrag unterschrieben – aber er sagte nichts. Manchmal saß er Muttern am Tisch mit der Wachstuchdecke gegenüber beim Essen, er kaute und sah sie dabei an mit seinen großen kugeligen Augen, die immer mehr rote Äderchen bekamen, sah sie an, starrte …
    »Was kuckst du denn so, Vater?« fragte Mutter. »Was hast du denn? Immer kuckst du jetzt so!«
    »Ick habe jar nischt, det is et ja jrade!« sagte Vater Hackendahl dann verdrossen. »Ick denk bloß nach.«
    »Worüber denkst du denn so nach, Vater? Und grade beimEssen! Beim Essen soll man nur essen, sonst bekommt dir’s nicht.«
    »Über jar nischt denk ick nach«, sagte Hackendahl wieder.
    Aber er dachte doch nach. Er dachte immerzu darüber nach, wie er’s ihnen beibrächte, Muttern und der ganzen Familie, wie er’s ihnen mundgerecht machte, das mit seiner Fahrt nach Paris. Er hatte nicht gerade Angst, daß sie ihn hindern könnten, er hatte sein Lebtag getan, was er wollte. Aber er hatte Angst vor ihrem Geschwätz, vor Mutters Klagen, vor dem ewigen Gedröhne und Gestöhne. Nicht einmal zum Schlafen würde er noch seine Ruhe haben.
    Also ließ der Vater es, es würde sich schon alles finden. Wenn es soweit war, würden sie es schon merken. Und eigentlich war es am besten, sie merkten es möglichst spät, dann hatten sie um so weniger Zeit für ihr Gerede!
    So ging es wirklich schon auf den März zu, als Irma in einer Zeitung die Notiz fand, daß …
    Sie las, und sie wunderte sich. Sie lief zu der Mutter, las ihr vor, und nun wunderten sich beide. Vater hatte doch gestern noch mit seiner Droschke vor der Ladentür gehalten und hatte den kleinen Otto ein Stückchen mitgenommen, und Vater hatte kein Wort gesagt!
    »Es muß ein Irrtum sein«, sagte Irma und starrte noch immer fassungslos die Zeitung an. »Aber hier steht es doch klar und deutlich, und sonst stimmt auch alles!«
    »Heinz weiß sicher davon«, piepste die Quaasin kläglich. »In so was halten Männer immer zusammen!«
    »Heinz? Keine Ahnung hat der, bestimmt nicht!« rief Irma empört.
    Und nun veruneinigten sich die beiden über die Frage, ob ein Mann mehr zu seinem Vater oder zu seiner Frau hielt, und verloren über diesem Streit ein wenig den Anlaß aus dem Auge.
    Aber am Abend, als Heinz nach Haus gekommen, ziemlich müde auf seinem Notbett sitzend, an seinen Stiefelnhantierte, fragte ihn Irma doch ziemlich kriegerisch: »Sag mal, liest du eigentlich gar keine Zeitungen?«
    »Wieso?« fragte er, erstaunt über ihren Ton.
    »Hast du denn das nicht gesehen?« fragte Irma und zeigte mit einem Finger auf eine Notiz.
    Es war bloß eine Zehnzeilennotiz, eine richtige Grundeis-Notiz. Sie lautete aber:
     
    Ältester Berliner Droschkenkutscher
    fährt nach Paris.
     
    Gustav Hackendahl, mit seinen siebzig Jahren der älteste Droschkenkutscher von Berlin, wird Anfang April zu einer Fahrt nach Paris starten. Er will die ganze Fahrt hin und zurück in seiner Pferdedroschke, die die Nummer 7 trägt, zurücklegen. Wie wir aus Paris hören, wird die dortige Droschkenkutscher-Innung dem mutigen Berliner, der mit Recht den Namen »Eiserner Gustav«trägt, einen festlichen Empfang bereiten.
     
    »Nun schlägt es dreizehn«,

Weitere Kostenlose Bücher