Der eiserne Gustav
»Det denken Se sich man so schwierig, junger Mann. Wenn’t erst soweit ist, jeht allens von alleene …« – da war er überzeugt, den Mann von der nötigen Hartnäckigkeit gefunden zu haben, einen eisernen Mann, eben den eisernen Gustav …
Er sagte also: »Na schön, ich werde mir mal die Sache ein bißchen überlegen. Denn so einfach ist das doch nicht, Herr Hackendahl. Kommen Sie mal in einer Woche wieder. Und die Hauptsache, vorläufig dichthalten, keinem was erzählen.«
Die beiden sahen sich an, und plötzlich grienten sie, der alte Mann wie der junge.
»Der unten vom Reisebüro hat Ihnen woll jesagt, ick hab’n Trall?« fragte Hackendahl ganz zufrieden.
»Na ja, so junge Leute, die noch nischt von der Welt gesehen haben wie wir beide!« grinste der junge Grundeis.
Damit trennten sie sich im besten Einvernehmen.
Der alte Hackendahl dachte, die Sache sei nun in Gang, und er wäre seine Sorgen los. Aber für den jungen Grundeis fingen die Sorgen erst an. Denn dies
war
eine Sache, das roch er, und dies konnte eine
große
Sache werden.
Aber so schön das war, eins war schlimm: Grundeis war nur Redaktionsvolontär, das heißt Windhund, das heißt gar nichts. Ein Garnichts aber kann keine große Sache starten, und wenn er sie hundertmal für seine Sache ansieht. Er brauchte die Zeitung dafür, nicht nur ihr Geld (das war garnicht so schlimm), sondern ihre Beziehungen, ihren ganzen Apparat, ihre Verbindungen mit der Provinz, ihren Vertreter in Paris … eben die ganze Zeitung.
Die aber, die diesen Apparat in Gang setzen konnten, das waren die lieben Kollegen, das heißt die Sitzer, die Vordermänner, die Neidhammel und Bremser jedes fremden Ruhms. Wenn die von der Sache erfuhren, so wurde sie entweder verfahren – aus Mißgunst. Oder sie starteten sie aus eigener Kraft, und dann wurde dem Windhund als Belohnung nur ein magerer Knochen hingeworfen, etwa die Durchfahrt durch Brandenburg. Er aber wollte die fetten Bissen: den Start in Berlin, den Grenzübertritt, den Empfang in Paris und die Rückkehr nach Berlin … alles!
Der ahnungslose eiserne Gustav! Wenn er an Grundeis dachte, so meinte er, der werde wohl Mühe haben wegen Paß und Postkarten, wegen Haushaltsgeld für Muttern und wegen Taschengeld für ihn. Aber von dem wirklichen Umfang und von der wirklichen Art der Sorgen des Herrn Grundeis machte sich Vater Hackendahl nicht die geringste Vorstellung.
Wie kriege ich die Sache fest in die Hand? Darüber grübelte Grundeis Tag und Nacht, und wenn ihm Paß oder Geld einfielen, so sagte er wie Vater Hackendahl: »Das wird sich alles schon finden – wenn ich nur erst die Sache fest in der Hand habe!«
In diesem schrecklichen Zwiespalt dachte Grundeis an einen Mann, den sie im Zeitungshaus mit den vielen Zimmern nur »das Legehuhn« nannten, das Huhn, das goldene Eier legt. Dieser hochangesehene (und noch viel höher bezahlte) Mann hatte keine andere Aufgabe, als Einfälle zu haben. Er war der Mann der Ideen – und wenn die Herren Redakteure und Chefredakteure völlig verzweifelt waren, dann liefen sie zu ihm und jammerten: »Es fällt rein gar nichts mehr vor, und niemandem fällt noch was ein. Sag uns bloß um Gottes willen, was machen wir für unsere Osternummer? Was für eine Deckelzeichnung rätst du zum Fasching für unsere beliebte Wochenschrift; durch welchen glänzenden Einfallbremsen wir den Verkaufsrückgang unseres Magazins? Was würde den Leuten wohl so gefallen auf der ersten Seite unserer Zeitung? Hast du nicht wieder was Nettes für die Hausfrauen? Für die kleinen Mädchen? Und die jungen Männer? Durch unseren saudämlichen Roman haben wir die Herren Friseure in ihrer Standesehre beleidigt – wie können wir sie wieder versöhnen? Der Filmstar Eva Lewa ist nun schon von vorn, von hinten, von oben und unten, ausgezogen, angezogen und bekleidet photographiert – sag uns bloß, wie sollen wir ihn jetzt noch bringen?«
Und auf all diese Fragen legte das Legehuhn Ei um Ei, hatte Einfall und Idee, mal dauerte es eine Weile, mal ging es schneller, aber meistens kam was. Und da die Einfälle gut waren und den Leuten gefielen, so war er ein wirkliches Huhn, das goldene Eier legte, er kostete nicht nur Geld, er brachte auch Geld!
Zu diesem Manne, der ein völlig ehrgeizloses Leben führte, ging der flammendrote Grundeis. Er fand ihn in der Ecke eines Bierstübels, wo der dicke Mann betrübt vor einem Glase Bier saß.
»Setze dich, Windhund!« sprach er. »Und red nicht. Ich glaub, es
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